Wien – Das vergangenheitsselige Wien, das vergangenheitsselige Wiener Opernpublikum, es liebt den Rosenkavalier, diese luxuriöse Retro-Oper, in der zu einer sentimentalen, herzensbildenden Reise in ein Fantasierokoko geladen wird, in dem bombastische Walzer erklingen. Auf die Bezeichnung "Komödie für Musik" haben sich Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal nach langem Hin und Her geeinigt, bei diesem Rosenkavalier meinte man jedoch, jedenfalls im ersten und im zweiten Akt, ein Orchesterkonzert mit vokalem Hintergrundrauschen zu verfolgen. Von Sänger(innen)seite war Zurückhaltung oberste Devise, im Orchestergraben nicht. Adam Fischer ist oft ein fulminantes Ereignis (wie hier etwa zuletzt beim Fidelio). Aber sein Rosenkavalier enttäuschte.

Abgesehen von hurtigen, oft gehetzten Tempi, ließ er es an Impulsen vermissen, schlug den Takt, gab ein paar Einsätze, das war's. Allen Glanz, alles überbordende Gefühl hatte das Staatsopernorchester in Eigenregie zu produzieren, es blieb zumeist bei Sentiment von der Stange. Anja Harteros spielte die mittelaltersweise Marschallin in der Midlifecrisis souverän und setzte sängerisch ganz auf Dezenz – für ihre nicht allzu große Stimme fast etwas zu sehr. Stephanie Houtzeel – sie gab den Oktavian überdreht, die Kammerjungfer löwingerbühnenhaft – war eigentlich die Einzige, die vokal an ihre Grenzen ging, was leider oft etwas staubige Klangwirkungen zur Folge hatte.

In seiner pointierten Art war Jochen Schmeckenbecher als Faninal ganz bemühter, korrekter "Bagatelladel", Wolfgang Bankl gab sich als Ochs von Lerchenau legerer und demonstrierte sein einwandfreies Wienerisch. Wie der ganzen Aufführung fehlte auch Chen Reiss' jungfräulich zickiger Sophie der letzte Glanz. Solide Caroline Wenborne als Leitmetzerin, glänzend Zoryana Kushpler als Annina (im zweiten Akt), gut Alexandru Moisiuc als Polizeikommissar. Wenig Rührung des Herzens, kaum Zauber, routinierter Applaus. (end, 9.12.2015)