Rotraud Kern und Paul Wenninger bei Vorarbeiten für die Performance "If there" an einer frischen Luft, die jetzt ins Souterrain der Akademie der bildenden Künste Wien umgeleitet wird.

Foto: Akira Oettinger

Wien – In der zeitgenössischen Choreografie können gerade provokant neutral wirkende Titel Werke bezeichnen, die echte künstlerische Explosivstoffe enthalten. Das war bei William Forsythe so: In the Middle, Somewhat Elevated. Und auch bei Jérôme Bel: Nom donné par l'auteur. Lakonischer ist If there. Unter diesem Titel zeigen nun die Wiener Choreografierenden Paul Wenninger und Rotraud Kern in der Akademie der bildenden Künste am Schillerplatz, was sich hinter dem scheinbaren Gemeinplatz verbirgt.

Es geht um Ordnungen und deren Hierarchien. Im postmodernen Tanz wird die moderne Leidenschaft fürs Klassifizieren seit fünfzig Jahren hintertrieben. Nicht ohne Folgen: Jérôme Bel wurde einmal verklagt, weil in einem seiner Stücke der Tanz ganz anders aussah, als man sich's landläufig vorstellte.

Was Wenninger und Kern nun betreiben, ist die Emanzipation der verschiedenen Genres, die in ein Tanzstück involviert sein können: etwa Musik, Film, bildende Kunst, Text, Licht, Raum- oder Kostümgestaltung. Bei If there im Aktsaal, dem Gang und im Anatomiesaal der Bildenden soll einiges davon auseinanderlaufen und jeweils eigene Wege gehen.

Dabei teilt sich eine tradierte Einheit – das "Stück" – auf. Womit jene eindeutige Ordnung, die gewöhnlich so schön orientiert und zugleich sediert, fällt: Dies ist bildende Kunst, das ein Konzert, da ist Tanz und dort Theater. Für das Publikum ist das wunderbar, weil so für Überraschungen, neue Erfahrungen und mehrfache Blickwinkel gesorgt wird. In den Rastern kulturpolitischer Verwaltungsautoritäten kann es zum Albtraum werden, wie etwa regelmäßig an den Erstarrungen oder Erblindungen diverser für Tanz zuständiger Abteilungen zu beobachten ist.

Mit Wenninger und Kern haben sich Manfred Erjautz (Licht), ManfreDu Schu (Kostüm) und Andreas Spiegl (Text) zusammengetan, um Rangordnungen zu stören und den Nachtmahr der Bürokratie zu vertiefen. (Helmut Ploebst, 10.12.2015)