Kolorierte Lithografie vom Wiener Ringtheater-Brand 1881.

Theatermuseum

Wien – Ins Theater zu gehen, das war lange Zeit durchaus lebensgefährlich. Immerhin ist bis in das Jahr 1881 fast jedes Theater in seiner Geschichte einmal abgebrannt (die Open-Air-Arenabühnen der Antike vermutlich ausgenommen). Kein Wunder, waren die auf der Bühne verwendeten Stoffe doch bestes Feuerfutter: Holz, Leinwände, Papiermaché. Öllampen, Kerzen und Gaslicht dienten als Beleuchtung. Schon Johann Wolfgang von Goethe, selbst Theaterdirektor, witzelte darüber schwarzhumorig: "Wie ist denn wohl ein Theaterbau? / Ich weiß es wirklich sehr genau: / Man pfercht das Brennlichste zusammen, / Da steht's denn alsobald in Flammen."

1881 war das Jahr des großen Ringtheaterbrandes in Wien, bei dem fast fünfhundert Menschen ums Leben kamen. Bei der zweiten Vorstellung von Hoffmanns Erzählungen am 8. Dezember zündete eine Gaslampe nicht richtig, Gas strömte aus und verursachte beim zweiten Zündversuch eine Explosion, die schnell auch den Zuschauerraum in Brand steckte. Fatal war, dass sich sämtliche Türen nur nach innen öffnen ließen, wodurch der Fluchtweg für die Hinausdrängenden versperrt blieb. Seither gehen in allen Theatergebäuden die Türen nach außen auf.

Krieg, Demokratie, Nationalismus

Diese Wiener Brandkatastrophe führte, die Theaterarchitektur und die Sicherheitsmaßnahmen betreffend, in ganz Europa zu einem Umdenken. Und sie gehört gewiss zur Geschichte des europäischen Theaters, wie sie derzeit eine Ausstellung im Österreichischen Theatermuseum auffächert. Dass die kleine Schau anhand von Theatern aber gleich Die Geschichte Europas erzählt, ist herzhaft übertrieben.

In zwei Räumen im Erdgeschoß nehmen neun thematische Blöcke das Verbindende an den europäischen Theatern ins Visier: darunter neben "Feuer!" die Themen "Krieg" (Theater als Frontunterhaltung oder Mittel des Widerstands) und "Demokratie" (Gegenüberstellung von der runden Zuschauertribüne im griechischen Epidauros und dem Sitzungssaal des Europaparlaments in Straßburg). Auch der "Nation" ist eine Station gewidmet: Wenn man es schon politisch nicht kann, sei der Nationalgedanke in Krisenzeiten wenigstens am Theater hochgehalten (siehe die lange Zeit fremdbestimmten Länder Polen oder Slowenien). Zum Thema "Architektur" ist u. a. eine Heliogravüre vom alten Hofburgtheater am Michaelerplatz zu sehen.

Appetizer mit großen Bögen

Die mit sachkundigem Charme arrangierten Inhalte funktionieren jeweils als Appetizer. Sie sind Ideengeber mit Exponaten der Beglaubigung, doch sind die gespannten Bögen oft einfach zu groß. Das Kapitel "Macht der Religion" führt in wenigen Gedankengängen vom römischen Kaiser Theodosius (dessen Verbot des Vielgötterglaubens anno 388 ein Theatersterben nach sich zog) zu den Passionsspielen und zu Jesus Christ Superstar. Im besten Fall ist man also angespornt nachzulesen. Konkrete Informationen zu den Ausstellungsgegenständen (Programmzettel, Architekturmodelle, Fotografien, Tickets, Operngucker, Spielkarten usw.) verbergen sich auch im Touchscreenbildschirm, der jeweils seitlich an den Schaukästen angebracht ist.

Interessant sind einzelne Fakten, etwa dass in Danzig bereits 1610 ein Shakespearetheater nachgebaut wurde, dass in Brünn 1882 das erste vollelektrifizierte Theater Europas eröffnet wurde oder dass 1891 Pferderennen auf der Bühne zur Realisierung gelangten, indem man Laufbänder einsetzte. Ein kleiner Hit ist das Kurzvideo einer erhaltenen Filmaufzeichnung, in der ein Schauspieler aus der Unterbühne durch ein unsichtbares Loch im Boden auf die Rampe katapultiert wurde. Daran hätten Akrobatikregisseure wie Herbert Fritsch heute ihre helle Freude.

Inhaltliche Schwerpunkte liegen in der noch bis 2017 wandernden Schau vor allem auf jenen Orten und Ländern, deren Theatermuseen dieses Ausstellungsprojekt entwickelt haben: Ljubljana, Kopenhagen, München, Wien, Warschau und London. Dadurch bleiben natürlich auch weiße Flecken auf der europäischen Theaterkarte zurück. (Margarete Affenzeller, 29.12.2015)