Bregenz – "Ein Bankier, ein Bild-Leser und ein Asylbewerber sitzen an einem Tisch. Auf dem Tisch liegen zwölf Kekse. Der Banker nimmt sich elf Kekse und sagt zum Bild-Leser: Pass auf, der Asylant will deinen Keks!" Analog zu diesem Witz funktioniere, so Petra Maria Kraxner vormals in einer Rede, der Kulturbetrieb: Elf Kekse fürs Management; wer das letzte ergattert und abgibt, wird belohnt, "nächste Spielzeit oder übernächste, vielleicht aber auch gar nicht." Im aktuellen Fall greift Option Nummer drei: Zwar beauftragte das Vorarlberger Landestheater die österreichische Dramatikerin mit einem Stück zur Migrations- und Asylthematik, uraufgeführt wurde jedoch eine durch Dramaturgie (Dorothée Bauerle-Willert) und Regie (Alice Asper) überformte Spielfassung "nach" Petra Maria Kraxner. Sie hatte mäßig Kraft.

Das Stück Medusas Floß greift ein makabres Ereignis auf. Der Leichnam eines Fünfzehnjährigen aus Afrika stürzte 1998 beim Anflug auf Zürich aus dem Flieger, zwei Stunden Autofahrt von Bregenz entfernt. Besonders tragisch: Erst dieser zweite Einreiseversuch scheiterte (Der erste immerhin nicht im Flugzeugbauch). Ein Film (D 2004) dokumentiert die Geschichte.

Nun ist Kraxner nicht Charlie Hebdo, und Zynismus ihre Sache nicht. Sie zeichnet Solomon, dessen Namen sie beibehält, mit Pietät und Empathie: Ein Träumer voll Abenteuerlust, ein Neugieriger, der sein Glück in der Ferne versucht, "leben, lieben und frei sein" will, einer mit Flausen und Lady Di im Kopf. Diesen Solomon spielt Toks Körner als für sich einnehmendes Stehaufmännchen, das auch im nervenaufreibenden Aufnahmeverfahren seine welpenhafte Zutraulichkeit bewahrt: ein Tor, so weltfremd wie selbstbewusst. Nur im vertikal aufgespannten schmalen Netz, einer Antihängematte (Nora Brügel), strampelt er, will hinauf, bleibt hängen, rutscht ab.

Desillusioniert, aber zäh ist Samir. Der Flüchtling wird Solomon zum Gefährten bei den Strapazen des Verfahrens, zuletzt 'erledigt' aufgrund von Solomons Tollpatschigkeit und der grell bekrittelten Unfähigkeit der Pseudobehörden, die nichts bieten als Gilet, Krawatte, Miniteddy, ein Tetrapäckchen Fruchtsaft und eine automatisch generierte Nummer. Anlässlich des Automatendefekts kippt die Stimmung, und Boris Popovic macht das Luftmaschinengewehr. Ob das vonseiten Samirs bloß symbolisch ist, bleibt offen.

Dass nicht nur Bürokratismus und Willkür den Wartenden zu schaffen machen, zeigen der vernarbte Samir und der frohgemute Solomon einmal auch gemeinsam: Wenn die Medienfrau (Laura Louisa Garde) als Gastgeberin durch ihre Wohnung führt. "Mosaikfliesen", wiederholen die hungrigen, müden Männer unisono, in unterdrückt-aggressivem Schnellsprech, mit vielsagendem Blick. Die Saturiertheit des gelobten "Mitteleuropa" muss man erst einmal aushalten. Fahrigkeit, Kabarettismus und bemühte Aktualität dieses Theaterabends aber auch. Die Musik von und mit Markus Subramaniam, der Solomons zurückhaltenden Freund in Afrika spielt, leistet mehr als die Regie. (Petra Nachbaur, 18.1.2016)