Wenn die Staaten, die hauptsächlich Flüchtlinge aufnehmen – also Schweden, Deutschland und Österreich – den Zustrom tatsächlich massiv drosseln wollen, dann braucht es nicht nur eine Idee davon, wie viele man noch aufnehmen kann – manche nennen das Obergrenze – , sondern auch eine Strategie, wie man die Einwanderung stoppen will – einen Zaun oder eine Mauer. Denn ohne eine Grenze, die man dichtmachen kann, macht auch die Obergrenze keinen Sinn. Den "bösen" Zaun trauen sich Stockholm, Berlin und Wien aber nicht zu fordern. Das ist eigentlich unlogisch und feige.

In Mitteleuropa ist man schon seit langem viel pragmatischer. Der slowenische Premier Miro Cerar will aber nicht, dass dieser Zaun, der die Migranten abhalten soll, an der Schengen-Außengrenze seines Landes hochgezogen wird und der Nachbar Kroatien will das schon gar nicht. Es leuchtet auch ein, dass es besser wäre, wenn die Migranten möglichst früh an der Weiterreise gehindert werden und möglichst nicht dort, wo es im Winter besonders kalt ist, etwa in Serbien. Ein weiteres Argument ist, dass es besser wäre, die Migranten, die keine Chance auf Asyl haben, in einem EU-Staat zur Umkehr zu bewegen – also in Griechenland.

Angesichts dessen, dass die Türkei – trotz der Interventionen von Merkel – Flüchtlinge weiter nach Griechenland lässt und die Seegrenze auf der griechischen Seite nur schwer zu schützen ist, bleibt nur die Möglichkeit die Landgrenze rund um Griechenland zu befestigen. Seit November wird bereits ausprobiert, den Filter an der mazedonisch-griechische Grenze zu installieren. Seit damals sollen nur mehr Syrer, Afghanen und Iraker durchgelassen werden. Dies gelingt aber nicht wirklich, weil der Zaun eben noch nicht fertig ist.

Differenzierung

Geplant ist, nicht nur den Zuzug von Migranten zu drosseln, sondern vor allem zu differenzieren. Es sollen nur mehr jene, die mit – nicht gefälschten – Ausweisen beweisen können, dass sie aus Kriegsgebieten kommen, hereingelassen werden. Das wäre bereits eine Entlastung für die Aufnahmestaaten.

Reisten im Sommer noch vorwiegend syrische Familien ein, kamen im September bereits hauptsächlich junge Männer aus dem Irak, Pakistan und Afghanistan. Seit einigen Wochen kommen vermehrt auch Leute aus den Maghreb-Staaten, aus Bangladesch und dem Iran.

Es geht aber auch darum, die politische Stimmung zu beruhigen. Denn der ungefilterte Zuzug von allen möglichen Personengruppen, hat das Image von jenen Bürgerkriegsflüchtlingen, die dringend Schutz brauchen, schwer beschädigt. Während einer weiteren unkontrolliertem Einreise kann man zudem kein vernünftiges neues Asylsystem in der EU aufbauen – denn unter dem derzeitigen Migrationsdruck reagieren die Nationalstaaten immer panischer. Auch die deutsche Idee, Kontingente von Syrern ins Land einzufliegen, ist absurd, solange jeden Tag andere Gruppen auf dem Landweg hereinkommen.

Man sollte aufhören, den Leuten glauben zu machen, dass man Fluchtgründe abschaffen könne. Denn selbst wenn der Krieg in Syrien gestoppt werden sollte – wird der Migrationsstrom kaum abnehmen, denn die Mehrheit der Menschen, die jeden Tag in Griechenland landen, sind keine Syrer. Zäune und Mauern – das weiß man von den spanischen Enklaven in Ceuta und Melilla – sind hässlich. Und viele versuchen, sie zu überwinden. Auch an den griechischen Landgrenzen zu Mazedonien, Bulgarien und Albanien könnte man deshalb nur durch den massiven Einsatz von Sicherheitskräften und mit Gewalt die Grenzen sichern. Und das wird noch viel hässlicher werden.

Neue Rolle für Mazedonien

Doch das Dilemma ist: Es gibt keine schöne und gute Lösung. Es gibt aber vernünftigere Vorgangsweisen. Griechenland könnte – wenn Mazedonien die Grenze dichtmacht – von Deutschland, Schweden und Österreich dabei geholfen werden, – die berühmten Hotspots tatsächlich aufzubauen, um dort festzustellen, wer überhaupt eine Chance hat, Asyl zu bekommen. Zurzeit machen die Hotspots dort keinen Sinn, weil alle Migranten schnell weiter Richtung Deutschland reisen. Der Filter funktioniert nur, wenn sie nicht weiter können.

Mazedonien, dessen Regierung, in den vergangenen Jahren immer mehr ins Autoritäre abrutschte, gelangt durch seine zentrale geographische Position in der Flüchtlingskrise in eine neue Rolle. Die EU wird zum Bittsteller. Das könnte tendenziell den gerade abmontierten Premier Nikola Gruevski, der aber die Wahlen höchstwahrscheinlich gewinnen wird, stärken. Allerdings könnte es auch positive Dynamiken geben. In jüngster Zeit wird wieder mehr daran gearbeitet, den Namensstreit zu lösen – Griechenland akzeptiert ja bekanntlich den Namen des Nachbarlandes nicht. Druck auf Athen in dieser Frage ist gar nicht schlecht. Aber auch Griechenland könnte, sobald sich die Flüchtlinge wieder im Land "stauen", etwas von Deutschland verlangen – einen Schuldenerlass vielleicht, der dann auch leichter argumentierbar wäre.

Die Rückführung von Migranten aus Griechenland in ihre Herkunftsländer muss ohnehin von der EU organisiert werden. Sicherlich aber wäre es besser, wenn an der Grenze künftig EU-Beamte ihren Dienst tun, und nicht mazedonische Sicherheitskräfte, die bislang viele Migranten einfach nach Griechenland zurück prügeln. (Adelheid Wölfl, 24.1.2016)