"Host": Tänzerin als "Entertainmentservicemaschine".


Foto: Andreas Endermann

Wien – Es ist ein glitzerndes Bild, das die philippinische Choreografin und Tänzerin Eisa Jocson an den Beginn ihrer neuen Soloarbeit Host setzt: eine Geisha-Figur in rubinschimmerndem Paillettenkimono. Rosa Licht, rotes Papierschirmchen, dazu ein süßlicher Song: "Let me call you sweetheart ..." Sehr nett, aber in dieser Dekoration steckt etwas Böses.

Host wurde am Wochenende im Rahmen des Projekts kültür gemma! für migrantische Stadtkultur vom Tanzquartier Wien gezeigt. Ein guter Griff, denn Jocson gehört wohl zu den vielversprechendsten jungen Choreografinnen von heute. Nachdem sie einen Pole-Dance-Wettbewerb gewonnen hatte, zeigte sie 2011 ihr erstes Solo mit dem bezeichnenden Titel Death of the Pole Dancer. Auf diese eher beunruhigende Körperinstallation folgte Macho Dancer: Jocson trat gendershiftend als ekstatischer Erotikbar-Tänzer in Stiefeln und mit ausgestopfter Hose auf. Ein Volltreffer, in dem sich Themen wie Transkulturalität, Körperausbeutung und die Erosion von Geschlechternormen überschneiden.

Jetzt öffnet die Künstlerin weitere Vorhänge des Unterhaltungskleingewerbes. Dabei holt sie die philippinische "Japayuki"-Erotiktänzerin ans Licht, die in japanischen Herren-Clubs auf spiegelnden Laufstegen als "Entertainment-Servicemaschine" dienstleistet. Das verführerische Anfangsbild von "Host" verzieht sich, als Jocson eine Oni-Maske aus dem Nô-Theater aufsetzt. Nun verkörpert sie eine Hannya, eine gehörnte Dämonin, wie sie auch im alten japanischen Kagura-Tanz aufscheint. Ein gequälter, gefährlicher Geist mit spitzen Hörnern, metallischem Blick und anzüglichem Grinsen.

Diesen Blick behält Eisa Jocson bei, als sie Paillettentraum und Maske abgelegt hat und fächerschwingend in einem traditionell aussehenden Kimono weitertanzt. Die Begriffe "host" (Gastgeber) und "ghost" (Geist) sind miteinander verwandt: Als Gespenst einer Geisha kniet sich die Tänzerin vor ihr Publikum. Noch zweimal häutet sich Jocson, bevor sie als postmoderne Dämonin mit Schlangenbewegungen in anregende Musik und geiles Licht tanzt. Corsage, Zopf, schwere Stiefel.

Einen Sessel im Schlepptau, stampft sie auf dem Spiegelsteg, bricht die Musik ab und zeigt: Es gibt eine Stille, in der das langsame Öffnen eines Stiefel-Reißverschlusses dem Publikum direkt in den Kopf knackt. Dieses Knacken geht in ein fernes Klopfen über, das immer näher zu kommen scheint, während sich Jocson in extremer Verzögerung bewegt. Es ist wie in einer Unterwelt. Im Gegenlicht umrahmen fahle Konturen ein gelöschtes Gesicht, einen ausradierten Körper. Posen werden in so großer Spannung und so lange durchgehalten, dass Jocsons athletische Beine zittern. Bis eine bestrahlte Discokugel die Unterwelt auflöst und das böse Glitzern wiederkommt.

Es folgt die letzte Häutung. Das Gespenst, jetzt in ein sexy Kleidchen mit langen Fransen gehüllt, ist perfekt. Es braucht keine eigene Stimme bei dem Song, zu dem es mechanisch routiniert tanzt: "I want nobody but you" der Wonder Girls. Und Abgang im Zeichen einer trostlosen Heiterkeit. "Host" ist gelungen. (Helmut Ploebst, 25.1.2016)