Hagen (Eric Halfvarson) tötet Siegfried (Christian Franz).


Foto: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

Wien – Wie jeder talentierte Verfasser von überlangen Mehrteilern zieht Richard Wagner beim Finale seines Ring des Nibelungen noch einmal alle Register: Die Rheintöchter tauchen wieder auf, neues, paarungswilliges Personal wird eingeführt, der Held wird unter Drogen gesetzt und hinterrücks ermordet. Daraufhin sucht seine Geliebte den Flammentod, und schlussendlich säuft der ganze Laden ab. Mehr geht beim besten Willen nicht.

Bei der Götterdämmerung stellt Eric Halfvarson das Nonplusultra dar: Wie der singt! Und spielt! Sein Hagen ist kein Durchschnittsintrigant, der ist komplett irre, der tanzt herum, dirigiert im Taumel seine Mannen; aber er ist auch ein ganz normaler Mensch, verletzlich, gebrochen, sich nach Liebe sehnend. Einsame Weltklasse. Wenn der US-Amerikaner auf der Bühne agiert, verliert sich auch die Lähmung des Sehsinns, die sich durch die monochrome Bühnenödnis von Rolf Glittenberg eingestellt hat, augenblicklich. Der Einzige, der Halfvarson in Sachen Intensität und Differenziertheit nahekommen kann, ist erwartungsgemäß Jochen Schmeckenbecher als Hagens Zwergenvater Alberich zu Beginn des zweiten Aufzugs.

Dieser ist der dichteste, packendste des Abends. Der wiedergenesene Christian Franz und Linda Watson singen um Klassen besser als noch beim zweiten Tag des Bühnenfestspiels vor einer Woche; wenn auch Franz' Siegfried im Sancho-Pansa-Look und Watsons Brünnhilde mit Grande-Dame-Attitüde darstellerisch nur begrenzt harmonieren. Aber Watson demonstriert im mittleren Aufzug sowohl Kampfeslust als auch ihren durchsetzungsfähigen, unverwechselbar timbrierten Sopran, und auch Franz überzeugt vokal mit Verve und heldischer Durchschlagskraft – welche ihm dann aber im letzten Aufzug ab dem eingestrichenen A peu à peu wieder abhanden kommt.

Sonst: Boaz Daniel (für Markus Eiche eingesprungen) gibt einen nobel singenden Gunther, fest und hell Regine Hanglers Gutrune. Anna Larsson beweist sich mit ihrem dunklen, gedeckten Mezzo (als Waltraute) als fesselnde Erzählerin und Warnerin: Allein, ihre verliebte Schwester will nicht auf sie hören. Fein die drei Rheintöchter, intensiv die drei Nornen, wobei speziell die Zweite Norn von Ulrike Helzel einfach fantastisch gut ist: prägnant und dringlich wie kaum je gehört.

Beknienswert wundervoll das Staatsopernorchester unter der Leitung von Adam Fischer, Wagners Weltpanakustikum ist aufgespannt zwischen der Intimität der Streicher und der Potenz des Blechs. Wobei man vielleicht einmal über die Platzierung der Kontrabasstuba nachdenken sollte: In ihrem akustisch überverstärkenden Eckerl klingt sie (zumindest auf den Parkettplätzen) oft so, als wenn der Riese Fasolt furzte. (Stefan Ender, 25.1.2016)