Lisboa Lounge: In Wien-Wieden weht seit neuestem eine frische Meeresbrise.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Richtig grandios ist, was an die Restauranttische im Hochparterre gebracht wird.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Sorry Radlager, t'schuidign, Nata Lisboa: Einmal ums Eck vom Café Anzengruber schmecken die Pastéis de Nata noch einmal um ein Eckhaus besser als bei euch. Dabei sind die legendären portugiesischen Blätterteigtörtchen mit cremiger Vanillefülle und köstlich angebrannter Haut gar nicht das Hauptanliegen von Hugo Silva, der hier in einer als schwierig verschrienen Lokalität vor ein paar Wochen seine Lisboa Lounge eröffnet hat.

Vielmehr brauchte der Mann endlich mehr Platz und vor allem eine ordentliche Küche, in der sich auch die Geschmäcker Lissabons entsprechend darstellen ließen. Das war in der Pessoa Lounge am Beginn der Favoritenstraße, die Silva seit 2004 betrieb, nicht drin.

Früheres Lokal Saci

Hier aber schon. Helle Holzmöbel, wasserfarbene, handgemachte Fliesen aus Portugal, gute Beleuchtung – und, nicht zuletzt, der wieder freigelegte, schwarzweiße Pflastersteinboden in genau jenem Wellenmuster, das auf den Straßen Lissabons als Calçada portuguesa berühmt ist und vor bald 20 Jahren eben hier in der Mühlgasse für das längst vergangene, brasilianisch inspirierte Saci verlegt worden war: Irgendwie wirkt das auf zwei Ebenen angelegte Lokal, wo in den vergangenen Jahren nichts so wirklich toll zu funktionieren schien, als ob es endlich seine Bestimmung gefunden hätte.

Zur Euro – Österreich spielt schließlich gegen Portugal – wird im Souterrain Fußball auf einer Großleinwand und, so hofft Silva, auch irgendwie im Schanigarten inszeniert werden.

Tapas an der Bar

An der Bar serviert Silva Tapas: Rohschinken vom halbwilden Pata-Negra-Schwein, allerhand Würste und Käse, wie man das schon aus dem Pessoa kannte; aber auch großartige Stockfischkroketten mit tiefaromatischer Fülle. Der auch in unseren Breiten einst alltägliche Trockenfisch wird hier mit einer Selbstverständlichkeit präsentiert, dass einem das Herz aufgeht. Als cremig-knuspriges Gratin gibt es ihn auch – wird beim nächsten Besuch probiert.

Richtig grandios ist nämlich, was an die Restauranttische im Hochparterre gebracht wird: dickfleischige Venusmuscheln als Tagesgericht zum Beispiel, mit karamellisiertem Knoblauch, Weißwein und Koriander kurz gedämpft, sodass sich die Dinger gerade eben öffnen, zart und prall vor Wohlgeschmack. Oder klassische Gambas a gran capitán, saftstrotzende Garnelen in chili- und knoblauchgeschwängertem Olivenöl – einfach, herrlich.

Meer reinschieben

Richtig spektakulär ist, was Silva als "Arroz do Mar" für zwei auffahren lässt und auch in der Übersetzung als "Seafood and Fish Rice" auf der Speisekarte unterverkauft erscheint. Eine tiefe Schüssel bissfesten Reises, der in einem unheimlich dichten, dickflüssigen Meeresfrüchtesud schwimmt und mit Unmengen an Köstlichkeiten angereichert ist: mit Venusmuscheln natürlich, aber auch mächtigen Miesmuscheln, kleinen, zarten Shrimps und wunderbar mürben geschnetzelten Kalmaren, obendrauf noch auf den Punkt gegarten Gambas samt Kopf.

Habe d'Ehre, macht das glücklich. Echtes Essen, das mit dem großen Suppenlöffel reingeschoben werden will, ohne Frage eines der besten Meeresfrüchtegerichte der Binnenstadt.

Fleisch gibt es aber auch, und nicht irgendeines: Mix Grill vom iberischen Schwarzfußschwein hat neben allerhand Kurzgebratenem zwar auch ein Stückerl von der geschmorten Backe mit am Teller – bei solch konzentriert köstlichem Fleischgeschmack wird das aber niemanden aufregen, eher im Gegenteil. Hinterher muss es dann sowieso Pastel de Nata sein, mit wunderbarem Espresso, der, wie in Lissabon Usus, mit einer Zimtstange zum Umrühren serviert wird. Muito obrigado! (Severin Corti, RONDO, 19.2.2016)