Körper zu Körper: kopflos die einen, unentspannt die anderen.


Foto: Simon Hajós

Wien – Die Wahnvorstellung, es wäre besser, das "schwache" Fleisch durch künstlich "intelligent" gemachte Blechtrottel zu ersetzen, heißt Posthumanismus.

Was ist da los? Der Körper sei "die verunsicherte, zerborstene Gewissheit", schrieb der französische Philosoph Jean-Luc Nancy in seinem vielgelesenen Buch Corpus, das jetzt der Wiener Choreografin Saskia Hölbling als Anregung für ihr neues Stück Corps à Corps dient – zu sehen bis Samstag im Odeon.

Hölbling hat auf zwei ihrer früheren Werke zurückgegriffen: assemblage humain, ein Solo mit Puppe, das Impulstanz im Vorjahr zeigte, und auf das mit dem französischen Künstler Laurent Goldring entstandene body in a metal structure von 2012. Aus einer weißen Puppe sind bei Corps à Corps vier geworden und aus einer Metallstruktur zwei Gestelle. Auf der Bühne konfrontieren sich zwei Frauen – exzellent: Adriana Cubides – und zwei Männer mit den lebensgroßen Gliederfiguren.

Der Tanz ist ein Antipode zum Posthumanismus, darauf baut auch Saskia Hölbling. In Corps à Corps liegt der dem Zeitgeist entsprechende Jammer um den anfälligen und sterblichen Körper fern.

Wer Nancy kennt, weiß, dass er ohne technische Assistenz schon längst tot wäre: In ihm schlägt ein künstliches Herz. Zum Posthumanisten hat ihn das nicht gemacht.

Insgesamt acht Figuren treiben in Corps à Corps ein Spiel um Wechselwirkungen zwischen Mensch und Marionette. Anfangs zeichnen sich leidenschaftliche Verhältnisse ab. Doch die Leidenschaften sind dunkel. Der Körper kennt keine Entspannung, sein kopfloser Wiedergänger dagegen bleibt locker. Wie auch nicht, er ist ja immer schon tot.

In seiner zweiten Hälfte wird das Stück zunehmend planlos. Möglicherweise ist das Absicht. Denn es könnte sein, dass die Choreografin so die Plan- und Ratlosigkeit widerspiegeln will, mit der menschliche Körper sich selbst und ihrer Organisation gegenüberstehen. Wenn das stimmt, wäre Corps à Corps ein gelungenes Statement, das diese Verwirrung nur nicht radikal genug vorträgt. Der Tanz endet im Aufgeben vor unlösbaren Problemen.

Die bis zur letzten Sekunde überzeugende Musik kommt von Wolfgang Mitterer, von Gudrun Lenk-Wane die Puppen, und Gerald Pappenberger ist für das im Rhythmus ständig drohenden Verlöschens komponierte Licht verantwortlich. (Helmut Ploebst, 26.2.2016)