Es ist ganz klar, dass Mutter und Vater unterschiedliche Erziehungsstile haben. Es stellt sich die Frage, wie damit umgehen?

Es ist Samstagnachmittag. Draußen ist es kalt, es schneit. Die Eltern Franziska und Rene haben keine Lust, nach draußen zu gehen. Dem zehnjährigen Paul ist langweilig und er bettelt seinen Papa an, weil er gerne mit dem Tablet spielen möchte. Rene erlaubt ihm das nicht.

Franziska sitzt im Wohnzimmer und liest ein Buch. Paul läuft zu ihr und fragt danach, mit dem Tablet spielen zu dürfen. Franziska erlaubt es ihrem Sohn.

Freudestrahlend läuft Paul mit dem Tablet zum Papa und sagt: "Siehst du, Papa, die Mama hat es mir erlaubt!"

Rene ist wütend. Er geht zu seiner Frau, um mit ihr darüber zu reden.

Zur Ordnung anleiten

Die sechs Jahre alte Evelin soll mit ihrer um drei Jahre älteren Schwester Martina das gemeinsame Zimmer aufräumen. Viktoria möchte einkaufen gehen und bittet ihren Mann Oliver, die beiden Kinder dabei zu unterstützen und darauf zu schauen, dass die Mädels nicht nur spielen, sondern auch Ordnung schaffen.

Als Viktoria vom Einkaufen zurückkommt, sitzen die drei im Zimmer und spielen gemeinsam ein Brettspiel. Auf das Aufräumen haben sie dabei längst vergessen.

Viktoria fühlt sich von ihrem Mann im Stich gelassen, ist es doch wieder sie, die die Kinder zur Ordnung anleiten soll. Auf der anderen Seite freut sie sich dann doch darüber, dass die drei so friedlich miteinander spielen. Sie schluckt ihren Ärger hinunter und nimmt sich vor, Oliver später darauf aufmerksam zu machen.

Die Eltern orientieren sich an den eigenen Erfahrungen

Solche und ähnliche Situationen kennen Eltern und Bezugspersonen in ihrem Erziehungsalltag zur Genüge.

Es ist ganz klar, dass Mutter und Vater unterschiedliche Erziehungsstile haben. Schließlich ist das Thema Erziehung immer gesellschaftlich und persönlich geprägt.

Beide sind in einer anderen Familie groß geworden und haben andere Werte, Ideen und Vorstellungen von Kindererziehung erfahren. Sei es, dass ihnen als Kind viel Freiheit gewährt wurde, oder aber, dass die Grenzen ziemlich eng gesteckt waren.

Als Erwachsener bewertet jeder Mensch, wie er seine Erziehung erlebt hat. Dies beeinflusst die Ideen, Vorstellungen und Wünsche, wie die eigenen Kinder erzogen werden sollen. Letztlich orientieren sich Eltern immer nach den eigenen Erfahrungen ihrer Erziehung. Manchmal auch mit dem Gedanken: "So wie es meine Eltern bei mir gemacht haben, möchte ich es bei meinen Kindern nicht machen!"

Vorher drüber reden

Wie jetzt aber handeln, wenn sich herausstellt, dass die Partner in puncto Erziehung der gemeinsamen Kinder unterschiedliche Vorstellungen haben?

Es ist gut möglich, dass der eine Elternteil die Vorstellung davon hat, dass Kinder frei aufwachsen müssen, während dem anderen Grenzen und Klarheit am allerwichtigsten sind. Da hilft nur das gemeinsame Gespräch. Die Bereitschaft, den Kindern gegenüber als Paar Einigkeit zu zeigen, gehört mit zu den wichtigsten Punkten einer gelingenden Erziehung.

Selbstverständlich müssen Eltern nicht immer einer Meinung sein, und das dürfen Kinder auch erfahren. Trotzdem ist es wichtig, sich in der Situation nicht gegeneinander ausspielen zu lassen. So kann eine Entscheidung kurzfristig verschoben werden, um zu hören, was der andere Elternteil entschieden hat.

"Was hat denn Mama/Papa dazu gesagt?" oder "Warte mal, da muss ich kurz mit Mama/Papa darüber reden, und dann sagen wir dir, was wir entschieden haben!" sind gute Möglichkeiten, solch eine Situation zu bewältigen. Das Kind erlebt, dass die Eltern unterschiedliche Meinungen haben, dass sie aber gemeinsam eine Lösung suchen, finden wollen und an einem Strang ziehen.

Welche Regeln sind unumgänglich?

Mitunter ist für Eltern hilfreich, dass sie sich darüber im Klaren sind, dass sie zwei unterschiedliche Individuen sind. Womöglich kann im gemeinsamen Gespräch festgelegt werden, welche Regeln beiden unumgänglich wichtig sind und welche für die Kinder wie gelten sollen.

Es kann Eltern auch als Paar näher zusammenbringen, wenn sie die unumstößlichen Werte des jeweils anderen anerkennen. Im Auge zu behalten ist, dass Eltern, die sich nicht einig sind, auch ihren Kindern gegenüber nicht einig sein können.

Vorbild sein am wichtigsten

Manchmal kann es hilfreich sein, sich die Frage zu stellen, welche Werte oder Ideale dem Kind ins Leben mitgegeben werden sollen.

Auch kann es passend sein, sich zu überlegen, welche Werte den Kindern im alltäglichen Leben vorgelebt werden können und sollen. Es wird keinen großen Erfolg haben, von den Kindern beispielsweise zu erwarten, dass sie höflich sind, grüßen, "Bitte" und "Danke" sagen, wenn man es selbst damit nicht so genau nimmt. Das Vorbild der Bezugspersonen zählt in der Erziehung sehr viel mehr als das bloße Reden.

Tatsache ist: Wie Kinder erzogen werden, ist Ausdruck der eigenen Persönlichkeit und Wertvorstellungen jedes Erwachsenen.

Ihre Erfahrungen?

Welche Wertvorstellungen haben Sie bezüglich der Erziehung Ihrer Kinder?
Wie gehen Sie als Vater/Mutter mit Vorstellungen Ihres Partners um, die sie nicht teilen?Posten Sie Ihre Erfahrungen, Fragen und Ideen im Forum! (Andrea Leidlmayr, Christine Strableg, 11.3.2016)