Stubenmädchen (Nora Safranek) und Herr (Nancy Mensah-Offei).

Foto: Chloe Potter

Wien – Körpergeschlecht und Geschlechtsidentität sind keineswegs immer übereinstimmend, doch daran hat Arthur Schnitzler 1903 in seinem Reigen natürlich nicht gedacht. Das Drama hat auch so die Gemüter erhitzt und wurde nach der Uraufführung 1920 verboten. Die sich im Stück reihum zusammenfindenden Paare sind das Abbild der schön heteronormativen Zuneigungs- und Abhängigkeitsverhältnisse.

Prototypen von Mann und Frau reichen einander jeweils die Hände: Dirne und Soldat, Soldat und Stubenmädchen, Stubenmädchen und junger Herr, Ehemann und süßes Mädel, Dichter und Schauspielerin, der Graf und die Dirne – hier schließt sich nach zehn "erotischen Dialogen" der Kreis wieder.

Die Repräsentationsfrage (Wer spricht am Theater für wen?) servieren Yosi Wanunu und Haiko Pfost in ihrem Reigen-Konzept am Silbertablett, indem sie den Rendezvous-Rundtanz mit queeren Biografien belegen. Als "Privatperson" sitzen die Schauspielerinnen zunächst an ihrem im Raum verteilten Schminktischen und tauchen von dort immer wieder in die Reigen-Szenen auf dem mittig platzierten Bühnenpodest ein. Untertitel: The Making of a Post Porn Schnitzler.

Zu diesem Ensemble gehören die Wiener Burlesquekünstlerin Deniz Bourbon, die Drag Queen Dutzi Ijsenhower, die Diseuse Lucy McEvil, die Schauspielerinnen Denise Kottlett, Nancy Mensah-Offei, Elinor Mora u. a. Die jeweils vor dem Schminktisch sich und dem Publikum offenbarten persönlichen Erfahrungen werden durch die Maske mit auf die Bühne in die jeweilige Rolle getragen und manifestieren damit neue (queere) Figuren. Das verläuft alles in rascher Schnitttechnik, herb-funktional mit metaphorischen Pointen: Ein Teestündchen zwischen Stubenmädchen (Nora Safranek) und jungem Herrn (Mensah-Offei) darf als "Golden Shower" gedeutet werden.

Honig wird gelöffelt, ein Bleistift gründlich gespitzt – das Objekttheater lehrte heiter-verständlich erotische Praktiken. Das Besondere des Abends bleibt aber die Schnittstelle zwischen eigener Biografie und Schnitzler-Rolle: etwa der Klassenkampfgedanke des Stubenmädels. (Margarete Affenzeller, 18.3.2016)