Ringen bis zuletzt: Die Bildungsreform beschäftigte Gabriele Heinisch-Hoseok (SPÖ) und Harald Mahrer (ÖVP) auch nach der offiziellen Einigung. Ein erster Teil wird jetzt festgezurrt.

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Wien – Zuletzt schien man bei der ÖVP etwas ungeduldig. Denn die Gesetzwerdung der Bildungsreform, die im November bereits mittels koalitionärem Handschlag als großer Wurf präsentiert wurde, ließ auf sich warten. Woran auch die Schwarzen ihren Anteil hatten. Stichwort Schulverwaltung oder Gesamtschulmodellregion. Zuletzt versprach Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ), die zwischenzeitlich die alternative Leistungsbeurteilung bis zur dritten Klasse verpflichtend festschreiben wollte, für Ende März ein "Meisterstück". Mittwochabend war es so weit: Einigung erfolgt, am Donnerstag geht der erste Teil des Schulrechtspakets in Begutachtung.

Das erste Schulrechtspaket soll weitgehend kostenneutral sein. Durch den verstärkten Zuzug von Flüchtlingen bedingte Mehrkosten für die Sprachförderung soll durch flexibleren Personaleinsatz ausgeglichen werden, heißt es in der Wirkungsfolgenabschätzung zum Gesetz. Die Begutachtungsfrist läuft bis zum 5. Mai.

Einsparungen durch Wegfall von Klassenwiederholungen

"Finanzielle Auswirkungen entstehen durch dieses Vorhaben im Bereich der Aufwendungen für Lehrpersonal", heißt es etwa. "Die Anpassungen der Grundschule führen teils zu Mehr- und teils zu Minderaufwendungen, die einander auf Dauer gesehen weitgehend ausgleichen." Zusätzliche Aufwendungen für Schulstartgruppen und Sprachförderkurse sollen 2016 mit 12,7 Mio. Euro zu Buche schlagen und 2017 mit 2,2 Mio. Euro. Diese Kosten sollen aus dem Integrationstopf der Regierung getragen werden.

Die Einsparungen ergeben sich unter anderem durch den Wegfall von Klassenwiederholungen durch das Abschaffen des Sitzenbleibens. 2014/15 wiederholten rund 1.329 Kinder in den ersten drei Schulstufen eine Klasse, in der vierten waren es etwas mehr als 400. Die Wirkungsfolgenabschätzung geht davon aus, dass im Endausbau 2019/20 dann rund 1.500 Kinder weniger die Volksschule besuchen als ohne die Maßnahmen. Daraus ergibt sich ein geringerer Bedarf an Lehrern.

Was sich mit dem Gesetzesentwurf ändern soll:

  • Noten Die Entscheidung darüber, ob es in den ersten drei Schuljahren statt Noten eine alternative Leistungsbeurteilung gibt (konkret: ein "Bewertungsgespräch" zwischen Eltern, Lehrern und Kind), treffen künftig Lehrer und Eltern im Schulforum. Sie können für jede Klasse des Schulstandorts unterschiedliche Beurteilungsformen wählen. Kommen sie innerhalb von neun Wochen auf keinen grünen Nenner, entscheidet die Direktion im Alleingang. Auch ob es jahrgangsübergreifende Klassen gibt, legen künftig Schulforum oder -leitung fest.
  • Sitzenbleiben In den ersten drei Schulstufen gibt es kein Sitzenbleiben, aber: "Kinder mit Leistungsschwächen oder -abfall" sollen schon während des Schuljahres auf Beschluss der Lehrerkonferenz eine niedrigere Klasse besuchen – heißt "unterjähriges Wechseln", funktioniert auch in die andere Richtung.
  • Sprachförderung Wer aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse als außerordentlicher Schüler aufgenommen wird, beginnt künftig in einer so genannten "Sprachstartgruppe". Hier wird elf Stunden pro Woche separat von der Regelklasse intensiv Deutsch gelernt. Erst danach soll der Wechsel in einen Sprachförderkurs erfolgen. Hier bleibt das Kind im Klassenverband, Deutsch wird "integrativ im Unterricht von Pflichtgegenständen" gelernt. Beide Gruppen sollen auch für Kinder offen sein, die nicht mehr schulpflichtig sind. Die Sprachförderung ist auf drei Jahre begrenzt und soll bis Anfang 2019 evaluiert werden.
  • Schulverwaltung Eigentlich erst für den zweiten Teil des Bildungspakets geplant, nimmt die Neuregelung, wie künftig der Amtsdirektor des Landesschulrates zu besetzen ist, einiges vorweg. Die Lösung: Die Bundesbehörde "Landesschulrat" soll jedenfalls einen Bundesbediensteten als Leiter erhalten. Elegant: Auch Landesbedienstete können den Job bekommen, müssen sich für die Dauer der neuen Funktion aber vom Landesdienst karenzieren lassen. Zehn Jahre Übergangsfrist!
  • Schuleinschreibung Eltern werden verpflichtet, bei der Schulanmeldung alle Unterlagen aus dem Kindergarten vorzulegen, in denen Entwicklung und Sprachstand des Kindes festgehalten wurden.
  • Neue Oberstufe Schulstandorte, die sich noch nicht für die grundlegende Umstellung auf modulares Lernen bereit fühlen, bekommen mehr Zeit: Was bereits für 2017/2018 flächendeckend geplant war, kann jetzt um bis zu zwei Jahre verschoben werden. (Karin Riss, APA, 6.4.2016)