Gefühlsnöte im sozialen Brennpunkt: "Beautiful Thing".

Foto: Rita Newman

Wien – Schulsport ist seine Sache nicht. Dafür singt Jamie (Florian Kroop) gerne bei The Sound of Music mit. Auch wenn ihm das vor seinem Übernachtungsgast jetzt peinlich ist. Ein bisschen Klischee mag man eben. Genauso wie Männer. Und ganz besonders diesen: Ste (Jakob Elsenwenger). Er ist die coole Sau. Skateboarder. Aber selbst er hat ein Problem, Vater und Bruder verprügeln ihn. Mit Lügen versucht Ste zu vertuschen, was jeder in der Nachbarschaft weiß.

Ein sozialer Brennpunkt. Drei Wohnungstüren. Hinter der dritten wohnt Leah (Yodit Riemersma). Sie ist von der Schule geflogen. Mit Mama Cass‘ It’s getting better und anderen Hits aus der Zeit der "Summers of Love" träumt sie sich von den Stufen vor dem Haus davon. Aber besser wird dadurch natürlich nichts.

Mütze statt Blümchen

Beautiful Thing von Jonathan Harvey – der Titel des Stücks klänge wie bitterböse Ironie, gäbe es da im Theater der Jugend nicht die Liebe. Die bald schönste neue Nebensache für die pubertierenden Buben. Das Verarzten der blauen Flecken wird zärtliche Annäherung. Statt Blümchen schenkt man dem Schatz eine Mütze. Mehr als 20 Jahre hat der Text auf dem Buckel, doch die Gefühle lernen eben erst zu laufen.

Und auch Jamies Mutter (Simone Kabst) träumt davon, ist ihr Tony (Markus Schöttl) auch ein Tropf. Die Karikatur eines Mannes. Er trägt Dauerwelle und seine Schenkel in Hotpants zur Schau. Wenn er sie auszieht, riecht er an seinen Socken. Boyfriendmaterial ist er wirklich nicht. Aber auch als "Mom" ist diese zweifelsohne schon öfters gepflückte Blume aus dem Sozialbau schwerlich das große Los. Man möchte mit den Fünfen allesamt nicht tauschen müssen!

Was so ordinär beginnt, entwickelt sich aber zur sensiblen Geschichte. Die Inszenierung von Werner Sobotka schafft es dann, die Lebens- und Gefühlsnöte aller Beteiligten berührend zu transportieren. Denn eigentlich sind sie alle besser, als es scheint, und die harten Worte (Schlampe, Bitch, Fotze, fick dich, Schwuchtel) nur dazu da, die weichen Kerne zu schützen. Die obligatorische Eltern-Kind-Opposition aus argumentativem Gestreite oder einfach nur Gemotze? Nichts anderes als Hilflosigkeit!

Ein nicht bloß schwules Aufklärungsstück für alle ab 13. Weil auch Eltern immer noch dazulernen können. (Michael Wurmitzer, 8.4.2016)