Da fällt der leichtfüßig-verspielte Disput über das Verhältnis von Wort und Ton etwas schwer: Maria Bengtsson (als Gräfin) sieht sich von Symbolen des Krieges und des Todes umgeben.

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Wien – Ihr Leben haben sie offensichtlich hinter sich: Der sensible Musiker Flamand trägt eine blutende Kopfwunde, während es den impulsiven Dichter Olivier mitten ins Herz getroffen hat. Blutig ist sein Hemd; allerdings fällt der Poet in dieser Todeslandschaft auf der Bühne des Theaters an der Wien nicht sonderlich auf.

Es ist ja in Summe nicht viel Puls und Herzschlag zu erleben; Jahrhunderte von Tod und Verwüstung haben hier ihren grässlichen Besuch abgestattet. Die ergraute Gräfin, im schweren, wie eine Erinnerungslast drückenden Militärmantel, ist mittendrin: Nicht nur die Leichen ihrer Kavaliere, die zwischen zertrümmerten Tasteninstrumenten herumliegen, beäugt sie mit ungläubiger Melancholie.

Nicht zu übersehen bei dieser Version von Capriccio: Richard Strauss' im Detail verzückender, aber in Summe immer etwas langatmiger Operndiskurs aus dem Kriegsjahr 1942, der einen ästhetischen Fight zwischen Wort oder Ton zelebriert, wird von Regisseurin Tatjana Gürbaca szenisch und also symbolisch an seine düstere Entstehungszeit gebunden.

Dichter und Komponist

Ob nun die Versuche von Dichter und Komponist, die Gräfin zu betören, oder die zahllosen ironischen Diagnosen zum Charakter der Theaterwelt – sie sind auf dieser Bühnenschräge mit ihren klobigen Treppen nie frei von Spuren des Martialischen. Gürbaca inszeniert quasi ein Verbot, sich eskapistisch auf diese humorige Abhandlung einzulassen. Der Salon ist eher ein Friedhof (Bühnenbild: Henrik Ahr), auf dem Figuren liegen, die nur Lebendigkeit erlangen, um ein Plädoyer für die Kunst abzugeben.

Die untoten Diskutanten zwischen all den Helmen, Kerzen, Kränzen und zerzausten Uniformen aus diversen Kriegsepochen sind in diesem endzeitlichen Ambiente Puppen einer Utopie, die unrettbar diskreditiert ist.

Dies allerdings sind sie in glänzend durchinszenierter Form: Der Regie gelingt eine konzentrierte Zusammenführung von Charakteren, präzisen Auslotungen von Regungen und Erregungen. Maria Bengtsson ist die in sich gekehrte Betrachterin eines Schlachtfeldes, das wie eine Illusion erscheint und auch sie, die Gräfin, zum verspielten Mädchen macht.

Bengtsson meistert die heikle Partie mit Intensität, die auch ein paar zarte Pianissimi in Reserve hat. Überhaupt bewegt sich die vokale Seite auf hohem Niveau: Andrè Schuen (als Graf) singt vorzüglich, Daniel Behle (als Flamand) überzeugt ebenso wie Daniel Schmutzhard (als Olivier). Imposant, aber ein wenig zu deftig wirkte Lars Woldt (als La Roche); sehr passabel auch Tanja Ariane Baumgartner (als Clairon), Erik Arman (als Monsieur Taupe), Elena Galitskaya (als Italienische Sängerin) und Jörg Schneider (als Italienischer Sänger.

Schlank und pointiert

Letztgenanntes Pärchen durfte als marionettenhafte Opernschablone etwas Heiterkeit in die düstere Todeswelt bringen – bis es allerdings auch für den Tenor ans Ableben ging. Keine Gnade also für das, was schöner Schein genannt werden könnte, und dies eigentlich auch bei den Wiener Symphonikern.

Zusammen mit Dirigent Bertrand de Billy boten sie einen schlanken, durchsichtigen, pointierten, nie sonderlich schwärmerischen Strauss. Es war gewissermaßen eine sängerfreundliche Arbeit mit sachlichem Grundton, die schließlich einigen Zuspruch ernten konnte. Für Gürbaca gab es zunächst eine signifikante Menge an Buhs, in die sich bald euphorische Gegenwehr drängte.

Erfahrungsgemäß ist aus so einem Phänomen der Hinweis abzuleiten, dass szenisch vieles richtig gemacht wurde. (Ljubisa Tosic, 20.4.2016)