Neos-Wissenschaftssprecherin Claudia Gamon ist der Meinung, dass Hochschulen der beste Weg zur Integration sind, die Politik sich aber zu wenig mit der Frage beschäftigt.

Foto: Regine Hendrich

STANDARD: In Ihrer Studienzeit waren Sie Spitzenkandidatin der Julis und Junos und ÖH-Mandatarin – wie hat diese Zeit Ihre heutige Politik geprägt?

Gamon: Seit meiner Studienzeit begleitet mich die Hochschulfinanzierung, eine Situation, die sich seit meiner ersten ÖH-Wahl vor mittlerweile fünf Jahren nicht verbessert hat.

STANDARD: Die Junos sind als einzige Fraktion für Studiengebühren eingetreten. Daran wurde kritisiert, dass so manchen Menschen das Studium verunmöglicht würde.

Gamon: Wir haben ein Modell der nachgelagerten Studiengebühren, damit Studierende, die es sich zu Studienbeginn nicht leisten können, nicht am Studieren gehindert werden. Die Gebühr wird erst mit Eintritt in den Beruf fällig. Gleichzeitig muss es aber genügend Stipendien geben, um sich seinen Lebensunterhalt finanzieren zu können. Es gibt in Österreich relativ wenig Unterstützung, was das Leben betrifft. Hier muss das Stipendiensystem ausgebaut werden.

STANDARD: Die Novelle zum Studienförderungsgesetz, das die Studienbeihilfe regelt, ist gerade in Begutachtung. Was soll sich ändern?

Gamon: Man müsste Förderungen grundsätzlich anders aufsetzen und den Zugang einfacher gestalten. Bei dem Zuverdienst etwa kritisieren wir sehr stark, dass Studierende, die sich etwas dazuverdienen wollen, oft ihre ganzen Beihilfen verlieren. Auch die Förderung von jungen Forschern müsste man überdenken. Stichwort: Exzellenzförderung. Wenn es ein Studienbeitragsmodell gibt, müsste auch die Studierendenförderung anders funktionieren.

STANDARD: Selbst die Unis betonen, Studiengebühren wären nur ein Tropfen auf den heißen Stein ...

Gamon: Wir haben nie behauptet, dass dadurch das Budgetproblem gelöst würde. Es steht für uns nicht zur Debatte, dass die öffentliche Finanzierung höher sein muss. Man sieht im Vergleich zu Ländern wie Deutschland oder der Schweiz, dass wir gerade für die hohe Anzahl an Studierenden extrem wenig öffentliche Mittel in den Hochschulsektor stecken. Es ist die Verantwortung des Staates, öffentliche Hochschulen ausreichend zu finanzieren. Es geht uns aber auch darum, dass es unterschiedliche Einnahmequellen für die Universitäten gibt. Österreich hat etwa auch sehr wenig private Mittel in den Hochschulen und der Forschung. Das könnte man besser machen. Man müsste am Steuersystem drehen.

STANDARD: Der Staatssekretär für Wissenschaft Harald Mahrer (ÖVP) wollte dafür das Gemeinnützigkeitsgesetz vorantreiben.

Gamon: Das geht unserer Meinung nach zu wenig weit, es wird nicht die Milliarde bringen, die dadurch prognostiziert wurde.

STANDARD: Warum greift das Gemeinnützigkeitsgesetz zu kurz?

Gamon: Ich denke, der Staatssekretär ist daran gescheitert, dass es Geld kostet, wenn man Steuererleichterungen für gemeinnützige Stiftungen einführt, damit diese Geld in die Unis und in Forschung investieren können. Das bedeutet, dass das Finanzministerium auch etwas geben muss. Hier war man wohl nicht bereit, genug auszugeben. Die Hebel, an denen gerade gedreht wird, bewirken kaum etwas.

STANDARD: Was fehlt Ihrer Meinung nach an dem neuen Gesetz?

Gamon: Das Problem ist, dass es so viele Ausnahmen gibt in Bezug auf jene Institutionen, die Geld empfangen können, wie auch auf jene, die stiften können – so ist es immer noch extrem unattraktiv. Alle Einnahmequellen der Unis – öffentliche Finanzierung, Studienbeiträge und private Mittel – sind unzureichend bestückt.

STANDARD: Drittmittel, also die private Finanzierung, sind unter den Studierendenvertretern umstritten. Die Neos treten klar dafür ein. Sollte es dafür – wie in Deutschland – einen Code of Conduct geben?

Gamon: Das Problem, dass die Universitäten durch Drittmittel stark inhaltlich beeinflusst werden, besteht hier nicht. Der Großteil der Drittmittel, die in Österreich vergeben werden, sind öffentliche Gelder. Sie kommen vom Wissenschaftsfonds oder der Forschungsförderungsgesellschaft. Ich halte die Panikmache für übertrieben. Es ist fast eine Beleidigung Forschern gegenüber, wenn man sie verdächtigt, dass sie sich dadurch in ihrer Forschung beeinflussen lassen. Das widerspricht jeder Ethik und dem Prinzip freier Forschung und Wissenschaft. Kein Forscher hat Interesse daran, sich beeinflussen zu lassen, das kann man ihnen nicht vorwerfen. Was man ihnen aber auch nicht vorwerfen kann, ist, dass sie forschen wollen. Dafür müssen aber immer mehr Forschungsinstitutionen auf Drittmittel umstellen.

STANDARD: Die Universitätenkonferenz arbeitet gerade an einem neuen Modell der Studienplatzfinanzierung.

Gamon: Eine Studienplatzfinanzierung wird nicht funktionieren, wenn es nicht eine Form der Zugangsbeschränkung gibt. Das wird nicht umsetzbar sein, wenn die Hochschulen die Aufnahmeverfahren nicht so ausgestalten können, wie es für sie passt.

STANDARD: Wie sollten diese Beschränkungen ausgestaltet sein?

Gamon: Im Sinne der Hochschulautonomie kann man das nicht explizit für alle vorgeben. Für jedes Fach gibt es andere Anforderungen, die auch an die Studierenden gestellt werden. So etwas kann man nicht für alle Studienrichtungen vorgeben, das ist absurd.

STANDARD: Für Flüchtlinge wird der Zugang zu den Unis jedoch erleichtert. Welche Rolle spielen die Hochschulen bei der Integration?

Gamon: Sie spielen eine sehr große Rolle. Ich halte es für extrem wichtig; die Unis sind der beste Weg, Leute, die mit unglaublichem Wissen und Kompetenzen herkommen, zu integrieren. Flüchtlinge werden im Gegensatz zu anderen ausländischen Studierenden, denen vorgeworfen wird, dass sie nach dem Studium das Land verlassen, nicht mehr gehen. Integration wird in der Debatte zu wenig mitgenommen. (Oona Kroisleitner, Tanja Traxler, 28.4.2016)