Frauen machen noch immer allzu oft zwei Jobs.

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"Für die Frauen ist zu Hause nur Schichtwechsel": Dieser berühmte Satz stammt von Käthe Leichter, einer 1895 geborenen Wissenschafterin und Sozialdemokratin. Anfang der 1930er-Jahre hatte sie eine umfassende Studie mit dem Titel "So leben wir …" über den Alltag von Industriearbeiterinnen verfasst und darin unter anderem die Beengtheit der Wohnverhältnisse, die schlechten hygienischen Bedingungen und arbeitsrechtlich katastrophale Verhältnisse aufgezeigt.

Vieles davon scheint mir heute nicht mehr nachvollziehbar, doch dieser eine Satz, der bleibt in meinem Kopf hängen, setzt sich fest und bringt mich zum Nachdenken: "Zu Hause ist nur Schichtwechsel." Damals hat zu Hause die Wäsche gewartet, Kinder mussten aus den schon eingerichteten Kindergärten geholt werden, das Essen gekocht und ein Bettgeher versorgt werden. Von ebendiesen Frauen, die davor acht Stunden oder länger am Fließband der Industrie gestanden waren.

2016, da ist das anders

Ja, 2016, da ist das alles ganz anders. Wir Frauen sind gut in der Schule, erlernen nicht mehr nur die drei klassischen Mädchen-Lehrberufe, wir studieren öfter und schneller als Männer und sind mittlerweile in allen Branchen und Berufen erfolgreich vertreten. Wir Frauen forschen für Pharmakonzerne und assistieren Vorstandsvorsitzenden, arbeiten in Technologiekonzernen, führen Betriebe oder eröffnen ein Internet-Start-up.

Irgendwann in unserem Leben schleicht sich dann aber trotz all unserer Bemühungen, unserer Erfolge etwas ein, das als "Gehaltsschere" oder "Pay Gap" bezeichnet wird. Und nichts anderes bedeutet, als dass wir Frauen uns irgendwie irgendwo irgendwann heimlich und nicht merkbar mit weniger Geld zufrieden geben müssen als Männer. Na ja, das ist ja nur wegen der Teilzeit. Oder weil Frauen eben in schlechter bezahlten Branchen arbeiten, wie in der Pflege von kranken oder alten Menschen und eben nicht am Hochofen oder beim Autozulieferer. Wirklich gute Gründe, hervorragende Argumente.

Dann gibt’s aber eine wirklich gemeine Studie. Gemein für alle die, die so wie gerade eben argumentieren wollen. Die zeigt nämlich, dass es darüber hinaus einen bemerkenswerten Effekt gibt. Dass Frauen noch immer weniger bezahlt bekommen als Männer. Einfach nur, weil sie Frauen sind.

Wie das herausgefunden wurde? Man hat Paare gebildet, hochqualifizierte UniversitätsabsolventInnen, die möglichst viel gleich hatten, also selber Hintergrund, selbe Ausbildung, selbe Branche, möglichst ähnlich. Und diese Paare hat die Studie dann begleitet. Und dann, ja dann. Dann zeigt sich eben dieser Unterschied. Vereinfacht gesprochen liegt es wahrscheinlich daran, dass in unseren Köpfen noch immer das Bewusstsein von Frauen als "Zuverdienerinnen" verankert ist. Dass Frauen eben doch noch immer mit einer Rolle als Hausfrau, Köchin, Mutter, Kindergartenchauffeurin und Gartenpflegerin assoziiert werden.

Frauen haben zwei Berufe

Obwohl wir über Chancengerechtigkeit und Gleichbehandlung von Frauen und Männern sprechen, Gesetze dazu befolgen und alle eh dafür sind, ist die Realität doch anders. Weil Frauen noch immer allzu oft zwei Jobs machen.

Wo wir als kinderlose Frauen und Männer die private Lebenswelt noch partnerschaftlich und in gleichem Maße organisiert haben, ändert sich vieles, wenn wir Mütter sind. Das macht am Beginn eines neuen Lebens unglaublich Sinn, weil wir Frauen es sind, die die Kinder stillen und die auch die körperliche Erholung nach einer Geburt benötigen. Aber dann? Dann bleiben Tätigkeitsfelder wie Arztbesuche ausmachen, Kinderkleidung kaufen, Windeln nachfüllen, Hausübung machen, Schwimmkurs buchen, Hausapotheke bestücken, Kinderleid trösten oder Geburtstagstorte backen trotzdem für die nächsten 20 Jahre meist an uns Frauen hängen.

Irgendwie scheint es, als ob Mütter, die in der ersten Karenzzeit diese Aufgaben übernehmen (müssen), weil niemand anderer da ist, diese automatisch und eben nicht sinnvollerweise auch nach ihrem Berufswiedereinstieg weitermachen. Die meist dann sowieso Teilzeit arbeiten, weil sie wissen, wie anstrengend und zeitaufwendig diese unzähligen organisatorischen Arbeiten sind. Und die sich übrigens oft genauso wenig wie Männer dafür interessieren, wo es die besten Kindersocken gibt, wie das Backwerk gefärbt werden muss, damit es möglichst wie der Eispalast von Elsa ausschaut, und wann genau man sich anmelden muss, damit das Kind beim Fußballturnier mitmachen kann. Und die dann später auch noch erklären müssen, warum der Hansi auf der Party lieber mit der Kathi knutscht.

Im Grunde haben fast alle Mütter also mindestens zwei Berufe. Und viele Väter nach wie vor meist nur einen. Umso besser wäre es, wir würden unseren Job zu Hause zur Hälfte den Vätern überlassen und uns im Job in der Berufswelt draußen genau das Geld holen, das uns auch zusteht. Genau dort nämlich. Damit wir irgendwann wirklich nicht mehr sagen müssen: "Zu Hause ist nur Schichtwechsel." (Sanna Weisz, 1.5.2016)