Wien – Werner Faymann ist Geschichte. Der Bundeskanzler und SPÖ-Vorsitzende zog am Montag einen Schlussstrich unter eine jahrzehntelange Karriere in der SPÖ. Zuletzt stand die Partei vor allem wegen des Asylkurses und ihres Verhältnisses zur FPÖ unter internem Druck. Eine Chronologie:

10. März – (Noch) ungewohnter Gegenwind weht Faymann bei der Tagung des Wiener SPÖ-Rathausklubs entgegen. Seine Rede wird von Protesten begleitet, denn die jungen Aktivisten stoßen sich nicht zuletzt an den von der SPÖ mitgetragenen Plänen für eine Flüchtlings-Obergrenze.

30. März – Die Regierung macht ernst mit ihren Plänen für ein schärferes Asylrecht, nachdem das zuvor in Auftrag gegebene Gutachten zu Obergrenzen vorliegt.

April – Im Vorfeld des Wiener SPÖ-Parteitags gehen die Wogen bei den Hauptstadt-Roten hoch. Auch hier ist der Asylkurs der Knackpunkt.

14. April – SPÖ-Jugend- und -Vorfeldorganisationen demonstrieren gegen das Asyl-Gesetz.

16. April – Am Parteitag der SPÖ Wien verlassen Hunderte Mitglieder – mit einem "#team haltung"-Button – den Saal, als Faymann zu seiner Rede anhebt. Der große Aufstand aber bleibt aus, der Flüchtlings-Leitantrag wird einstimmig beschlossen.

24. April – Bei der Bundespräsidentenwahl verfehlt der SPÖ-Kandidat Rudolf Hundstorfer mit 11,3 Prozent klar die Stichwahl. Noch am selben Abend fordert die frühere SPÖ-Staatssekretärin Brigitte Ederer Faymanns Ablöse.

25. April – Die SPÖ beruft kurzfristig ihr Präsidium ein. Ohne Konsequenzen für den Parteichef: Er sei "fürs Arbeiten gewählt", sagt Faymann danach. Der Kärntner Landes-Obmann Peter Kaiser tritt für die Vorverlegung des im November geplanten SPÖ-Parteitags mit der regulär nächsten Vorsitz-Wahl ein – und setzt sich damit nicht durch.

29. April – Auf Drängen vor allem der Parteijugend wird der Parteivorstand um zwei Wochen vom 17. auf den auf 9. Mai vorverlegt.

30. April – ÖGB-Präsident Erich Foglar fordert, die SPÖ müsse ihr Verhältnis zur FPÖ überdenken. Faymann kündigt in Reaktion eine "Strategiegruppe" in der Partei an.

1. Mai – Rathausplatz: Faymann wird bei seiner Rede zum Tag der Arbeit von zahlreichen Genossen ausgebuht und -gepfiffen. Dem gegenüber stehen gut organisierte "Werner, der Kurs stimmt"-Taferln.

2. Mai – Nach dem 1.-Mai-Debakel treten die Wiener SPÖ-Gremien zusammen. Häupl übernimmt die Koordinierung der weiteren Vorgehensweise in der Partei.

In der Folge zeigen sich sowohl Länder-Obmänner als auch rote Gewerkschafter durchaus gespalten. Vorarlbergs SPÖ-Chef Michael Ritsch plädiert für Neuwahlen, sein Salzburger Kollege Walter Steidl will personelle Erneuerung. Hans Niessl (Burgenland) dagegen lässt das Mantra "Positionen vor Personen" hören.

6. Mai – Häupl und Niessl treffen sich, um die weitere Vorgangsweise zu besprechen. Zugleich wird bekannt, dass Faymann am Montag vor dem SPÖ-Vorstand mit seinen Bundesländer-Kollegen zusammentreffen wird – und dass es ein gemeinsames Mittagessen beim Bundespräsidenten geben wird, bei dessen Einladung Faymanns treuer Gefährte, Kanzleramtsminister Josef Ostermayer, eine maßgebliche Rolle gespielt haben soll.

Über das Wochenende vor dem 9. Mai dreht sich der mediale Wind: Faymann könnte doch noch einmal den Machterhalt schaffen, so der Spin, der sich durchsetzt.

9. Mai - In einem kurzfristig anberaumten Statement gibt Faymann bekannt: Er ziehe sich aus allen Funktionen zurück, mit sofortiger Wirkung. Der starke Rückhalt innerhalb der Partei für seinen Kurs sei verloren gegangen, begründete er seinen Schritt. Häupl wird Interimschef der Partei, Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) wird mit der Führung der Regierungsgeschäfte beauftragt. (APA, 9.5.2016)