Die Skyline von Abu Dhabi.

Foto: Claudia Mottl

Die Strände sind strahlend weiß, das Meer ist türkisblau und sauber.

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Palais in Abu Dhabi.

Foto: Claudia Mottl

Als mein Mann vor gut fünf Jahren nach Abu Dhabi aufbrach, um dort zu arbeiten, war ich sehr skeptisch. Sollten unsere Kinder, sieben und elf Jahre alt, und ich ihm wirklich dorthin folgen? Ich konnte mir ein Leben in einem islamischen Land als Frau und als Familie nur schwer vorstellen. Nach einigen Besuchen entschloss ich mich schließlich doch dazu.

Abu Dhabi ist mit seinen 1,5 Millionen Einwohnern eine moderne Großstadt: Hochhäuser, breite Straßen und Shoppingmalls erinnern eher an eine amerikanische City als an eine orientalische Metropole. 90 Prozent der Einwohner sind Ausländer, davon die Hälfte aus Südostasien, ein Drittel aus arabischen Ländern und der Rest aus westlichen Staaten. Lediglich zehn Prozent der Bevölkerung sind Emirati.

Männeranteil doppelt so hoch

Aufgrund der unzähligen Arbeiter aus Südostasien gibt es hier doppelt so viele Männer wie Frauen. Amtssprachen sind Arabisch und Englisch. Mit Ausnahme der alten einheimischen Generation spricht jeder Englisch, alles ist in Englisch angeschrieben, und auch wenn man es nur leidlich spricht, kann man sich im Alltag leicht verständigen.

Sich in der Stadt zu orientieren ist eine Herausforderung für sich: Zwar sind die Hauptstraßen schachbrettartig angeordnet, jedoch wird hier ständig verändert, gebaut und erweitert. Zusätzlich haben die Emirati ein Faible dafür, Parks, öffentliche Gebäude und vor allem Straßen im Jahresrhythmus flächendeckend umzubenennen. Und damit nicht genug, gibt es hier auch keine Hausnummern: Orientierungshilfe bieten Geschäfte oder öffentliche Gebäude, und so werden Adressen dann auch angegeben. Was habe ich anfangs geschwitzt, wenn ich in unbekannte Gefilde aufbrach – dafür nimmt einem aber auch niemand übel, wenn man kräftig zu spät kommt.

Eine Mehrklassengesellschaft

Besonders herausfordernd war es, die Dreiklassengesellschaft zu akzeptieren. An erster Stelle stehen Emirati und Bürger anderer Golfstaaten. Sie erhalten beispielsweise für gleichwertige Jobs doppelt so hohe Gehälter, werden im Alltag beim Anstellen in jeder Schlange vorgereiht, ihre Kinder haben, was Leistung und Benehmen in der Schule betrifft, quasi Narrenfreiheit.

Die zweite Klasse besteht aus Bürgern anderer arabischer Staaten sowie westlichen Ausländern. Die große Mehrheit stellt die dritte Klasse: Arbeiter, Haus- und Kindermädchen und viele andere Dienstleistungskräfte aus Südostasien, die für wenig Lohn harte Arbeit leisten. Immerhin: Engeren Umgang und Freundschaften pflegen die Klassen zwar nur untereinander, im Alltag sieht man sie dennoch friedlich gemischt in Malls, Parks und auch in den Schulen.

Behütete Kinder

Mütter arbeiten meist nicht, auch nicht Expats-Mütter. Die Gesellschaft sieht das nicht wirklich vor, obwohl Heerscharen von Bediensteten den reichen Emirati-Familien das Leben erleichtern. Auch in den westlichen Haushalten mit drei Kindern oder mehr gibt es immer eine Maid. Einige Mütter arbeiten flexibel und auf selbstständiger Basis nebenbei.

Die meisten Mütter sind jedoch damit beschäftigt, die Kinder zur Schule und zu außerschulischen Aktivitäten zu chauffieren, Einkäufe zu erledigen oder sich ehrenamtlich in den Schulen zu engagieren. Die Stadt ist sehr weitläufig, jede Kleinigkeit muss motorisiert erledigt werden, und die Kinder wachsen hier sehr behütet auf. Ein Kind alleine mit dem öffentlichen Bus oder zum Spielen in den Park zu schicken ist völlig undenkbar.

Indoor-Freizeitgestaltung im Sommer

Die Stadtregierung bemüht sich, wunderschön gepflegte Gärten und Parks zur Verfügung zu stellen – bei diesem Klima eine extreme Herausforderung. Im Sommer hat es knapp 50 Grad im Schatten, und es gibt nur wenige Parks, die groß und schattig genug sind, um zumindest in den kühlen Monaten dort zu spielen. Kinder werden stattdessen im Inneren mit Sport-, Musik- oder Kreativkursen bei Laune gehalten, und die Familien verbringen viel Zeit am Pool, in Wasserparks oder am Strand. Jede Wohnanlage und viele Einfamilienhäuser besitzen einen Pool, die Strände sind strahlend weiß, das Meer ist türkisblau und sauber.

Glücklicherweise sind die Gesetze und die – für die westliche Bevölkerung – ungewöhnlichen Einschränkungen aufgrund der Kultur wesentlich weniger streng als in anderen islamischen Staaten. Obwohl einheimische Frauen Körper und Haar stets komplett verhüllen, kann man hier als westliche Frau alles tragen und sich auch in Badekleidung am Strand bewegen.

Die Kinder besuchen die Deutsche Internationale Schule Abu Dhabi, die Unterrichtssprache ist Deutsch, Arabisch und Englisch sind Pflichtfächer. Mehr als 18 Nationalitäten finden sich in den Klassen unserer beiden Kinder. Jeder dort kennt das Gefühl, neu und fremd zu sein, daher haben sie sich schnell eingelebt.

Nur nicht arbeitslos sein

Bei all der westlichen Orientierung dieser Stadt darf man jedoch nicht vergessen, dass alle Medien staatlich kontrolliert sind, die dritte Klasse ausgebeutet wird und kaum Rechte hat und dass bei der Gesetzgebung die Scharia gilt. Arbeitslosigkeit wird hier nicht geduldet: Verliert man als Ausländer seinen Job, muss man sehr schnell einen neuen finden.

Um sich in den Vereinigten Arabischen Emiraten länger aufhalten zu dürfen, benötigt man ein Arbeitsvisum. Dieses erhält man nur, wenn man zuvor einen Arbeitsvertrag mit einem hier ansässigen Unternehmen abgeschlossen hat. Ehepartner und Kinder erhalten dann ebenfalls ein Visum. Nicht arbeitende Partner aus unverheirateten Partnerschaften erhalten kein Visum, ein Zusammenleben ohne Heiratsurkunde ist in den VAE per Gesetz verboten.

Hätte ich als Ehefrau (mit oder ohne Kinder) eines Mannes, der hier ein Arbeitsvisum hat, ebenfalls einen Job und würde ich diesen verlieren, könnte ich dennoch auf Basis eines Angehörigenvisums im Land bleiben. Umgekehrt gilt dies natürlich auch. Bin ich aber Single und habe keinen Job, muss ich das Land innerhalb von 30 Tagen nach Verlust des Arbeitsplatzes verlassen.

Private Sozialversicherung

Hat man aber genügend Geld, lässt es sich hier sehr bequem leben. Abu Dhabi gehört zu den reichsten Städten der Welt und bietet Luxus ohne Ende. Die Expatriates aus dem Westen schätzen vor allem das völlig steuerfreie Einkommen. Während die staatliche Sozialversicherung nur für Emirati und Bürger anderer Golfstaaten vorgesehen ist, kommen für die private Sozialversicherung der Expatriates und ihrer Familien die Arbeitgeber auf. Allerdings sind Mieten und Preise der Privatschulen horrend hoch, und würden diese nicht auch von vielen Arbeitgebern bezahlt werden, wäre es wohl nur mehr ein Bruchteil von westlichen Expatriates, die sich hier ansiedeln würden.

Wir genießen hier den Crossover aus traditioneller einheimischer Kultur und westlichem Lebensstil, die neuen Eindrücke, die Zeit mit unseren internationalen Freunden und Bekannten und das Leben am Meer. Letztendlich war es eine gute Entscheidung, den Schritt zu wagen und für einige Jahre in Abu Dhabi zu leben. (Claudia Mottl, 24.6.2016)