Der Wiener Bürgermeister Michael Häupl ist im SPÖ-Machtgefüge nicht mehr so unangefochten wie noch vor kurzer Zeit.

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Wien – "Ich habe es satt, als Sozialdemokrat bei jeder Wahlniederlage wieder von den roten Spitzenpolitikern via Medien zu hören: 'Jetzt muss sich etwas ändern!' Wir dümpeln von einer Wahlniederlage zur anderen, immer mit dem gleichen Muster: Wahlanalysen schubladisieren ..., und weiterwursteln": Als der mächtige Baugewerkschafter Beppo Muchitsch seinen Frust in einem offenen Brief im Profil abgeladen hatte, waren die Dinge schon im Fluss. Muchitsch feuerte nur noch die Bewegung an, die sich im Westen beginnend Richtung Wien auf den Weg machte.

Unbeachtet von den Wienern – Bundes-Parteizentrale und Wiener SP waren mit eigenen internen Richtungskonflikten beschäftigt, koordinierten sich die westlichen SP-Länderchefs zu einem "Aufstand der Kleinen".

Die Provinz machte mobil

Als der Salzburger SP-Chef Walter Steidl als einer der ersten Landeshäuptlinge ausrückte und Faymanns Rücktritt forderte, kostete das die Wiener Zentralen einen Huster. Steidl sei eine zu kleine Provinznummer, als dass man sich fürchten müsste, hieß es. Aber als sich alle roten "Steidls" in den Ländern aufeinander einschworen, war es zu spät. Sie hatten nun die Macht, den Parteitag vorzuverlegen, auf dem Gerhard Zeiler als Gegenkandidat zu Faymann in den Ring gestiegen wäre.

Wiens Bürgermeister Michael Häupl musste sich auf die Rolle des Moderators zurückziehen und dem Druck der Bundesländerphalanx letztlich nachgeben. Er konnte Faymann nicht mehr halten und Zeiler nicht durchbringen. Wien als rotes Machtzentrum hat nach dieser innerparteilichen Auseinandersetzung wohl nachhaltig an Einfluss verloren. Das Machtgefüge in der SPÖ hat sich markant verschoben.

"Wiener Vorstadtschmäh"

"Die Zeiten sind sicher vorbei, als ein Michael Häupl mit einem halblustigen Sager die Richtung in der Partei vorgegeben hat. Der Wiener Vorstadtschmäh zieht nicht mehr", bestätigt ein in die Bundes-SPÖ involvierter Roter im Gespräch mit dem Standard. Es sei durchaus zu erwarten, "dass wir in den nächsten Tagen auch in Wien eine Weichenstellung erleben werden".

Regierungsbildungen seien früher in erster Linie eine Wiener Angelegenheit gewesen, "die Bundesländer sind mit irgendwelchen Notwendigkeiten abgespeist worden". Das habe sich jetzt, da Wien schwächelt, verändert, sagt der SPÖ-Insider. "Die Bundesländer haben die Schwäche, das muss man sagen, sehr gut ausgenutzt. Peter Kaiser in Kärnten, die Steirer, Vorarlberger, Salzburger, Tiroler und letztlich auch Niederösterreicher haben die Gelegenheit sofort ergriffen und das Gesetz des Handelns an sich gezogen", sagt der SPÖ-Politiker, der namentlich nicht genannt werden möchte.

Häupl und Pröll werden langsam Geschichte

Die Zeit sei aber nicht nur für Häupl, sondern auch für dessen ÖVP-Freund, den niederösterreichischen Landeshauptmann Erwin Pröll, im Ablaufen: "Die beiden Fixsterne der österreichischen Innenpolitik sind im Sinken begriffen. Sie werden langsam Geschichte."

Auf den neuen, von den Bundesländern auf den Schild gehobenen Manager Christian Kern wartet jedenfalls ein mächtiges politisches Sanierungsprojekt. Der Konsolidierungsbedarf in der SPÖ ist riesig, übernimmt der neue Parteichef sie doch – auf Bundesebene im Nationalrat und in sechs Bundesländern – auf einem historischen Tiefststand. In zwei weiteren Ländern (Wien und Burgenland) liegen die Roten nach den letzten Wahlen nur knapp über dem bisher schlechtesten Ergebnis. Das Debakel mit Rudolf Hundstorfer bei der Bundespräsidentschaftswahl ist ebenfalls noch zu verdauen.

Enormer Konsolidierungsbedarf

Dabei erleben die Sozialdemokraten schon seit den 1980er-Jahren einen langen Niedergang. Damals segelte die FPÖ unter Jörg Haider auf Erfolgskurs, 2000 kam Schwarz-Blau, das bis 2006 zu Schwarz-Orange mutierte – und der SPÖ in der Opposition eine Phase der Erholung gönnte, gespeist aus der Enttäuschung vieler Wählerinnen und Wähler über die Performance der Koalition der Volkspartei mit den Freiheitlichen. Von 2000 bis 2005 legte die SPÖ bei allen Wahlen zu, 2006 wurde sie wieder Erste bei der Nationalratswahl – und kam zurück in die Regierung. Dann war aber auch schon wieder Schluss mit der Konsolidierung. Ab 2008, dem Jahr, in dem Werner Faymann Alfred Gusenbauer ablöste, verlor die SPÖ bei 18 von 20 Wahlen. (Walter Müller, Lisa Nimmervoll, 14.5.2016)