Ursprünglich hatte das Wiener Citybike die Nase vorn, aber die Pariser haben schnell aufgeholt und überholt.

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Es gibt ein paar Dinge, die Paris von Wien unterscheiden. Und zwar abgesehen von Sprache und Eiffelturm. Obwohl Paris Wien kopiert hat. Nur ist Paris eben nicht auf halbem Weg stehen geblieben, wo Wien sich in seiner typischen Melange aus Selbstzufriedenheit und Angst vor Veränderung einparkte: Wiens Citybike-Gratisradsystem war ja der Testlauf für das Pariser Velib-System.

Erfolgreiches Velib

Dass Velib mehr Räder großflächiger an mehr Standorten hat? Nebensache. Relevanter ist, dass Paris es nicht beim Radständer-auf-Gehsteigen-Stellen beließ, sondern dem A das B hinzufügte – und systematisch und konsequent dort Platz zum Radfahren schuf, wo Verkehr hingehört: auf der Fahrbahn. Pariser radeln nicht auf lebensgefährlich schmalen und ungestraft zugeparkten "Mehrzweckstreiferln", sondern auf echten Radspuren. Die entstanden auf Kosten derer, denen man Alternativen zum Benzinverbrennen aufzeigen will: der Autofahrer.

Nicht aggressiv

Die haben die Botschaft mittlerweile verstanden. Und akzeptiert: Radspuren sind tabu. Ebenso wie markierte Rad-Polepositionen an Ampeln. Was in Paris aber auch auffällt: Egal ob mit Auto, Motorrad, Fahrrad oder zu Fuß: Man nutzt die Lücke. Beugt die Regeln: Ein Motorrad am Gehsteig? Ein Rad gegen die Einbahn? Zu Fuß bei Rot? Kratzt niemanden – wenn das "Wie" passt. Und das ist wohl der größte Unterschied zwischen Wien und Paris: Paris ist undiszipliniert, aber nicht aggressiv. "Situationselastisch". Denn es geht ums Ankommen – und nicht ums Rechthaben. (Thomas Rottenberg, 31.5.2016)