Die hohe Frauen-Teilzeitquote drückt auf die Pensionshöhe, Frauen sind somit stärker von Altersarmut bedroht.

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Die Teilzeitquote unter erwerbstätigen Frauen hat einen neuen Höchststand erreicht: Wie aktuelle Zahlen der Statistik Austria belegen, arbeitet mittlerweile fast jede zweite Erwerbstätige (48,2 Prozent) in Österreich in Teilzeit. Auch wenn die Frauenerwerbsquote seit Jahrzehnten kontinuierlich steigt, nehmen vor allem Mütter nach der Elternkarenz vorübergehend die Rolle der Zuverdienerin ein. Das klassische männliche Ernährermodell hat zwar ausgedient, SozialwissenschafterInnen sprechen aber von einer "modernisierten" Form.

Selbst berufstätige Frauen sind nach wie vor überwiegend für Hausarbeit, Pflege und Kindererziehung zuständig. Das zeigt etwa die Zeitverwendungsstudie der Statistik Austria, die zuletzt 2008/09 durchgeführt wurde. Während Männer wöchentlich im Durchschnitt knapp 18 Stunden für unbezahlte Arbeit aufwenden, sind es bei den Frauen rund 31 Stunden. Zieht man ausschließlich berufstätige Personen heran, so verändert sich das Verhältnis nur geringfügig (16 zu 27 Stunden).

Katholisches Österreich

Wenig verwunderlich also, dass 2015 – trotz Aufwärtstrend – nur 18 Prozent der KindergeldbezieherInnen Männer waren. Zusätzlich fallen die Kinderkarenzzeiten von Vätern deutlich kürzer aus als jene der Mütter. Diese geschlechtsspezifische Form der Arbeitsteilung sei in Österreich besonders langlebig, sagt Maria Mesner, Universitätsdozentin am Institut für Zeitgeschichte und Leiterin des Referats Genderforschung an der Universität Wien. Institutionelle Rahmenbedingungen wie fehlende Kinderbetreuungsplätze treffen auf weit verbreitete Werthaltungen – und verstärken sich gegenseitig. Im EU-Vergleich erweist sich Österreich als besonders konservativ. 2014 wurde im Auftrag der Europäischen Kommission eine Meinungsumfrage zum Thema Gleichstellung von Männern und Frauen durchgeführt, der Aussage "Insgesamt leidet das Familienleben, wenn die Mutter einer Vollzeitbeschäftigung nachgeht" stimmten hierzulande 73 der Befragten zu. Im EU-Durchschnitt waren es 60 Prozent.

Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek, die jüngst von Sabine Oberhauser abgelöst wurde, setzte während ihrer Amtszeit auf Kampagnen, um die ÖsterreicherInnen von der Notwendigkeit geschlechterpolitischer Reformen zu überzeugen bzw. sie zu Verhaltensänderungen zu bewegen. Hier zeige sich, wie marginalisiert Frauenpolitik mittlerweile sei, sagt Mesner. Ohne Ministerium und ausreichendes Budget bleibe nur die Kampagnenarbeit. "Für Frauenpolitik bzw. die Gleichstellung der Geschlechter sollte nicht nur die Frauenministerin zuständig sein, das sollte ein Anliegen der gesamten Regierung sein", fügt die Historikerin hinzu. Das Fehlen eines eigenständigen Frauenministeriums kritisierten zuletzt auch die Grünen, Frauensprecherin Berivan Aslan forderte einen "radikalen Perspektivenwechsel".

Weniger Arbeit, mehr Beschäftigte

Anhand der aktuellen Diskussion um die sogenannte "Maschinensteuer" zeigt sich, dass Wirtschafts- und Sozialpolitik noch immer stark vom Bild des männlichen Vollzeitarbeiters geprägt sind – dessen Arbeitsplatz durch technologischen Fortschritt bedroht wird. Unbezahlte Care-Arbeit bleibe hingegen meist unsichtbar, auch eine breite Debatte über die ganz grundsätzliche Bewertung und Verteilung von Erwerbsarbeit fehle, sagt Christine Mayrhuber. Die Volkswirtin arbeitet am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (Wifo) zu Fragen der sozialen Sicherheit und Entwicklungen am Arbeitsmarkt.

Aktuell liegt das Arbeitsvolumen in Österreich etwa auf dem Niveau von 2008, die Zahl der Beschäftigten ist jedoch gestiegen. Die vorhandene Erwerbsarbeit muss also auf mehr Köpfe verteilt werden – eine Entwicklung, die sich laut Prognosen des Wifo kurz- und mittelfristig fortschreiben wird. Zusätzlich ist die durchschnittliche Wochenarbeitszeit bei Vollzeit im EU-Vergleich besonders hoch, die erforderliche Flexibilität – Stichwort Überstunden – wirkt somit als Ausschlussmechanismus für Menschen mit Betreuungspflichten. Die Forderung an Frauen, Vollzeit zu arbeiten, gehe also als individualistischer Appell ins Leere, sagt Mayrhuber.

Prekarität gefährdet soziale Sicherheit

Auch atypische Beschäftigungsverhältnisse nehmen in Österreich zu und treffen insbesondere Migrantinnen – eine geradlinige Erwerbskarriere ist längst nicht mehr Standard. Das Sozialsystem in Österreich ist auf Erwerbsarbeit ausgerichtet, eine Prekarisierung gefährdet also auch die Finanzierung des Sozialsystems. "Es kommen künftig verstärkt Herausforderungen auf das System der sozialen Sicherung zu", sagt Mayrhuber.

Die hohe Frauen-Teilzeitquote drückt auf die Pensionshöhe, Frauen sind somit stärker von Altersarmut bedroht. Aber auch die Auswirkungen der letzten großen Pensionsreform wurden erstmals spürbar: 2015 lagen die neu zuerkannten Pensionen im Durchschnitt erstmals seit der Reform 2003/04 unter dem Niveau von 2014. "Die Politik muss neu überlegen, wie die soziale Sicherheit in Zukunft finanziert werden kann", sagt Mayrhuber. Vermögenszuwachs- oder -übertragungssteuern sieht die Ökonomin als möglichen Ansatzpunkt für eine generelle Steuerstrukturreform.

Bedingungslos gesichert

Radikal neu gedacht wird das System der sozialen Sicherung mit dem Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens für alle BürgerInnen, das in Europa zunehmend Beachtung findet – bei Linken wie Liberalen. Die Entkoppelung der sozialen Sicherheit von der Erwerbsarbeit könnte Frauen, die nach wie vor von den Einkommen ihrer PartnerInnen abhängig sind, eine ökonomisch eigenständige Existenz sichern. Auch die Verhandlungsposition von ArbeiternehmerInnen würde gestärkt, meinen BefürworterInnen.

Eine Vorreiterrolle kommt der Schweiz zu: Dort wurde am 5. Juni über die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens abgestimmt – eine deutliche Mehrheit sprach sich allerdings gegen die revolutionäre Idee aus. Die InitiatorInnen bewerten die Zustimmung von rund 21 Prozent dennoch als "sensationellen Erfolg" – Ziel sei es gewesen, eine Debatte über die Grenzen der Schweiz hinaus anzustoßen.

Auch Elli von Planta, Sprecherin der "Bewegung 9. Januar – Frauen für ein bedingungsloses Grundeinkommen", zeigt sich optimistisch. "In der Schweiz brauchen Ideen, die per Volksinitiative eingebracht werden, in der Regel ein paar Anläufe, bis sie schließlich angenommen werden", sagt die ehemalige Bankerin. Wütend macht sie jedoch das Argument, dass ohne einen finanziellen Anreiz niemand mehr arbeiten würde – die seit jeher unbezahlte und überwiegend von Frauen geleistete Care-Arbeit werde hier einfach ausgeblendet.

Neubewertung von Arbeit

Unter Feministinnen stößt das bedingungslose Grundeinkommen allerdings nicht nur auf Zustimmung. Kritikerinnen sehen die Gefahr, dass ein Grundeinkommen traditionelle Rollenmuster weiter verstärken und somit als "Herdprämie" wirken könnte. Wifo-Expertin Mayrhuber bewertet das Konzept als Ansatzpunkt für eine Diskussion über die Neuausrichtung des Wirtschafts- und Sozialsystems. Warum werden etwa Jobs in der Finanzbranche, die nicht unbedingt gesellschaftlich wohlstandssteigernd sind, höher bewertet als die gesellschaftlich enorm wichtige Pflege- und Erziehungsarbeit? "Wenn wir diese Diskussion nicht führen, wird auch ein bedingungsloses Grundeinkommen nichts an der grundsätzlichen Funktionsweise unserer Wirtschaft ändern", sagt Mayrhuber. (Brigitte Theißl, 25.6.2016)