Steht auf Typen in Uniform. Doch angeschmachtet wird sie von einem unschuldigen, leicht tollpatschigen Verehrer: die reiche Pächterin Aldina (Elena Sancho Pereg) in Donizettis "Liebestrank".

Foto: Armin Bardel

St. Margarethen – Jetzt beginnt sie wieder, die Zeit, in der sich abends Autokolonnen durch das Mittelburgenland schlängeln, hin zu den zwei Hotspots des Freilufttheaters. In St. Margarethen ist es diesen Sommer nicht ganz so schlimm: Weil im großen Römersteinbruch, wie alle fünf Jahre, Passion gespielt wird, zeigt man die Opernproduktion im kleineren Ruffini-Steinbruch. Dieser bietet immerhin noch Platz für knapp 2300 Besucher.

Passioniert geht's auch hier zur Sache: "Amore" prangt als mannshoher, feuerrot leuchtender Schriftzug auf einem Felsen, wobei einem als gelerntem Wiener der Jetztzeit natürlich sofort eine Zeile gegenwartsnahen Liedguts im Gedächtnis aufflammt: "Wenn jemand fragt, wofür du stehst, sag für AMORE".

Diese Weisung der Band Wanda kann man auch zur Beschreibung der männlichen Hauptfigur der Donizetti-Oper Der Liebestrank verwenden: Der Nerd Nemorino, er brennt für die schöne, belesene, einflussreiche Aldina. Doch die Macherin belächelt das Werben des tollpatschigen Romantikers bestenfalls: Aldina hat das Selbstbewusstsein und die sexuelle Selbstbestimmungsfreude einer Carmen, und dazu noch Kohle.

Ähnlich wie Bizets Bühnenfigur steht die reiche Pächterin aber auch auf Männer in Uniform. Belcore, ein Sergeant samt eindrucksvollem Stoßtrupp, kommt ihr da gerade recht. Nemorino sucht in seiner Verzweiflung Hilfe beim Quacksalber Dulcamara: Der fahrende Medizinmann hat Wundermittelchen gegen Leiden aller Art parat. Sein Liebestrank – eigentlich nur eine Flasche Rotwein – soll Nemorino für Aldina unwiderstehlich machen. Und was soll man sagen: Irgendwie tut er es.

Nemorino betrinkt sich in St. Margarethen im Italien der 1960er-Jahre. Für Regisseur Philipp Himmelmann – er hat 2007 die spektakuläre Tosca in Bregenz in Szene gesetzt – hat Raimund Bauer einen riesigen Wurlitzer in den Ruffini-Steinbruch gebaut. Dessen Plattenteller wird zur italienischen Piazza, auf der sich die Jugend vergnügt: Schon vor Beginn der Oper tanzen Petticoat und Pomade emsig Rock 'n' Roll.

Close-ups der Sänger

Im Verlauf seiner bunten Inszenierung hat Himmelmann einige gute Ideen: So nutzt der Deutsche die abfallende Zugangsrampe am Bühnenrand (etwa für den opulenten Auftritt Dulcamaras im VW-Bus) und weitet so das Spielfeld aus. Close-ups der Sänger auf ins Bühnenbild integrierten Großbildschirmen beziehen auch die hintersten Reihen mit ein.

Von der begeistert gefeierten Premierenbesetzung überzeugt vor allem Tamás Tarjányi: Der ab Herbst am Gärtnerplatztheater engagierte Ungar berührt mit seinem hellen, weichen, himmlisch schönen Tenor, der lediglich bei den Spitzentönen ein wenig an Glanz einbüßt. Unschuld, Tölpelhaftigkeit, unbedingte Liebe transportiert er zudem hervorragend.

Elena Sancho Pereg, eine stimmschlanke Aldina mit Fiakermilli-Vergangenheit, zwitschert mit den St. Margarethener Schwalben um die Wette. Uwe Schenker-Primus ist als Dulcamara ein Hippie mit Buddha-Body und singt fast zu verwechselbar schön für diese Charakterfigur; Andrei Bondarenko (Belcore) beeindruckt mit seinem vollen, satten Bariton. Überdreht: Esther Dierkes als Giannetta. Gesungen wird übrigens eh auf Italienisch.

Im Inneren des Wurlitzers bemüht sich Dirigent Karsten Januschke mit dem Symphonieorchester des Slowakischen Rundfunks um Spritzigkeit und Dezenz; auch dem Philharmonia Chor Wien (Leitung: Walter Zeh) gelingen delikate Momente. Wenn man sich an den nicht überlauten, aber auch nicht übermäßig präzisen Klang der Tonverstärkung gewöhnt hat, steht einem liebenswerten Opernabend unter burgenländischem Nachthimmel nichts im Weg. (Stefan Ender, 7.7.2016)