In stolzer Haltung und mit leichtem Gerät massieren sich die drei Figuren in Lea Moros "(b)reaching stillness" ihre Kopfhäute.

Foto: Dieter Hartwig

Wien – Traurige Nachricht: Die britische Choreografin Rosemary Butcher ist vorige Woche gestorben. Ihre Arbeit war unter anderem vom US-amerikanischen postmodernen Tanz des Judson Dance Theater beeinflusst, also von Yvonne Rainer, Lucinda Childs oder auch Steve Paxton.

Sie selbst hatte große Wirkung auf die britische "New Dance"- Bewegung ab den 1970er-Jahren. Ihre minimalistisch gehaltene Kunst entwickelte Butcher weniger mit Blick auf die Produktion fertiger Bühnenstücke, sondern als prozesshaftes Experimentieren an der Bewegung von Körpern in ganz unterschiedlichen Umgebungen. Butcher hatte gerne mit Architektinnen wie Zaha Hadid und Filmemachern wie Nicola Baldwin kooperiert.

Triumphe der Postmoderne

"Eigenwillig" wird ihr Werk oft genannt – und "einzigartig". Das war ihr konzeptueller künstlerischer Ansatz in Großbritannien auf jeden Fall. Ihre Arbeit wird auch vonseiten der bildenden Kunst sehr geschätzt und ist unter anderen in der Londoner Tate Modern Gallery zu sehen.

Was Butcher jenseits des Ärmelkanals als überragende Einzelpersönlichkeit leistete, erhielt auf dem europäischen Festland Mitte der 1990er-Jahre eine Art Pendant in der konzeptuellen Choreografie. Dabei wurde die New Yorker Postmoderne, aus der Butcher – wie gesagt – Inspiration schöpfte, auf dem Kontinent wiederentdeckt. Und dies in Wien genauso wie in Paris und Berlin, der Einfluss dieser Entwicklung bestimmt den Tanz bis in die Gegenwart.

Ohne sie wäre etwa ein Stück wie (b)reaching stillness von Lea Moro wohl nie zustande gekommen. Mit diesem Trio eröffnete die Schweizerin am Wochenende die Impulstanz-Reihe für junge Choreografie [8:tension] im Kasino am Schwarzenbergplatz.

Wie diese Arbeit nahelegt, ist der Versuch, ein Tanzstück kunsthistorisch einzuordnen, für das Publikum durchaus nicht unwichtig. Vor allem, wenn es darin, wie beim Stück (b)reaching stillness, so viele Elemente gibt, die auf starke Kontinuitäten oder bedeutende Brüche in der Entwicklung eines künstlerischen Genres hinweisen.

Lea Moros Stück, in dessen Verlauf sie sich mit den Tänzern Enrico Ticconi und Jorge Hoyos auf einer abgestuften Plattform zu Mahlers Auferstehungssymphonie bewegt (oder auch nicht), enthält wesentliche Elemente der konzeptuellen Choreografie.

Moro gibt dem Publikum Zeit für ein genaues Schauen. Das, die Klarheit ihres Werkkonzepts und ein zärtliches Verhältnis zur Welt der Zeichen – sowie treffender Humor – verbindet sie mit den französischen Konzeptualisten, zu deren bekanntesten Vertretern bis heute Jérôme Bel, Xavier Le Roy, Mårten Spångberg und Tino Sehgal gehören.

Diese Künstler sind in der aktuellen Ausgabe des Festivals Impulstanz – dessen Leiter Karl Regensburger übrigens am Montag zum Offizier des belgischen Leopold-II.-Ordens ernannt wurde – gut vertreten. Tino Sehgal hat die Workshopreihe "visual art X dance" mitkuratiert, die am Sonntag im Leopold-Museum in einem vierstündigen Akt mit der Kuratorin Dorothea von Hantelmann und Jérôme Bel vorgestellt wurde.

Um es nur ganz kurz zu bilanzieren: Im Kommunizieren ihrer Kunst waren die Konzeptler immer schon schlampert – so eigentlich auch diesmal. (Helmut Ploebst, 18.7.2016)