Ob Republikaner oder Demokraten – was professionelle Wahlkämpfe betrifft, lässt sich auf beiden Seiten des politischen Spektrums in den USA lernen: ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka (li.) besuchte Karl Rove, den einstigen Chefberater von Präsident George W. Bush, er war aber auch Zaungast bei Donald Trump.

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Josef Mantl wiederum, Vizebezirksvorsteher in Wien-Josefstadt, arbeitet sogar selbst im Team von Hillary Clinton mit.

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Washington/Wien – Politik ist bekanntlich ein Geschäft. Und wer ein solches gut machen will, schaut sich gerne bei anderen um, die ihres erfolgreich betreiben. So lässt sich vielleicht erklären, warum sich gar nicht wenige österreichische Politiker in den USA herumtreiben, um den dort laufenden Präsidentschaftswahlkampf mitzuerleben.

Der wohl Ranghöchste von ihnen ist Reinhold Lopatka, ÖVP-Klubobmann im Nationalrat. Seit 1996 fliegt er immer wieder über den Atlantik, sagt Lopatka im STANDARD-Gespräch: "Als ich Generalsekretär war, aus politischem Interesse, heute mehr aus persönlichem Interesse."

An den bombastisch inszenierten Parteitagen der großen Parteien nimmt Lopatka als Gast teil – öfter an jenen der Republikaner, weil die ÖVP mit diesen Mitglied in der Internationalen Demokratischen Union ist. "Die Amerikaner sind in gewissen Bereichen ihrer Zeit voraus, die haben auch das meiste Geld", sagt Lopatka. Deswegen könne man sich auch als österreichischer Politiker einiges von den amerikanischen Kollegen abschauen – "ganz einfach 1:1 übernehmen kann man aber nur wenig", dafür sind politische Kultur und Struktur zu unterschiedlich. Das sehe man auch am Rummel rund um die Conventions von Demokraten und Republikanern, da gehe es zu wie auf dem Kirtag, erzählt Lopatka.

"Amerika ist nicht Österreich"

Die Unterschiedlichkeit zwischen den politischen Kulturen betont auch Thomas Reindl (SPÖ). Der Vorsitzende des Wiener Gemeinderats leitet eine rund zwanzigköpfige Delegation der Wiener Sozialdemokraten, die Anfang November nach Washington und New York Wahlkampf schauen fährt. "Das Ziel ist nicht, dass wir dort ein fixfertiges Konzept für die Wiener Gemeinderatswahl 2020 holen", sagt Reindl, "Amerika ist nicht Österreich."

Aber man könne durchaus Inspiration für die politische Arbeit zu Hause mitnehmen – zum Beispiel wie Barack Obama seine Unterstützer im Jahr 2008 systematisch mit Material und Adresslisten versorgt hat. Wiewohl man auch das wegen der gänzlich anders aufgebauten Parteistrukturen nicht einfach so in Wien umsetzen könne – da müsste man ja schon die Arbeit in Döbling und Simmering ganz anders angehen.

Ansonsten gehe es für die Wiener Roten auch darum, das Wahlkampfspektakel in den USA zu erleben, Kontakte zu knüpfen – und "ein bisschen Solidarität zu zeigen" mit Hillary Clinton.

Whoopi und Alpenrebellen

Auch Lopatka trug ein bisschen Inspiration über den Großen Teich nach Österreich – mal mehr, mal weniger erfolgreich. Die damalige Landeshauptfrau Waltraud Klasnic etwa stellte Lopatka im Landtagswahlkampf als Person in den Mittelpunkt – den Anstoß dafür soll eine seiner USA-Reisen gegeben haben. Vorher stieß Lopatka aber an die Grenzen der Übertragbarkeit amerikanischer Wahlkampftaktik in Bezug auf Österreich.

Nachdem er gesehen hatte, wie die Schauspielerin Whoopi Goldberg die Menge bei Wahlkampfveranstaltungen für Bill Clinton aufheizte, versuchte er Ähnliches im steirischen Wahlkampf. Lopatka engagierte die "Alpenrebellen", die direkt vor dem damaligen Landeshauptmann Josef Krainer jun. auftreten sollten. "Das hat der Landeshauptmann aber für unpassend befunden". Also traten die Alpenrebellen mit Respektabstand zu Krainer auf.

Eine ganz andere Motivation treibt Josef Mantl (ÖVP) so oft wie möglich in die USA: Der stellvertretende Bezirksvorsteher der Wiener Josefstadt ist ein glühender Fan der demokratischen Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton – das sei er schon 2008 gewesen, als sie parteiintern Barack Obama unterlegen war. Mantl sieht sich als "Supporter an der Basis, aus persönlichem Interesse und aus Leidenschaft".

Campaigning im Urlaub

Bei einem Masterstudium in den USA hat er sich Clintons Kampagne spontan angeschlossen, nach der Rückkehr nach Österreich über die Democrats Abroad Kontakt zur Partei gehalten – und nützt seit der neuerlichen Kandidatur Clintons jeden Urlaubstag fürs Campaigning in den USA. "Das war eine riesige Lernkurve." Allein diese "You can do it"-Mentalität, das "why not" statt "why" begeistere ihn, sagt Mantl.

Der positive Zugang zu Herausforderungen sei es auch, den man am ehesten für die politische Arbeit nach Österreich "importieren" könne – auch wenn das für Mantl nur ein angenehmer Nebeneffekt des politischen Engagements in den USA ist.

Die fast maßlose Begeisterung der Parteibasis gehört wohl auch zu jenen Phänomenen, die man in Österreichs politischer Landschaft nicht wiederfindet. Einen dreitägigen Parteitag etwa, sagt ÖVP-Klubchef Lopatka, könne keine Partei hierzulande ihren Mitgliedern zumuten. (Sebastian Fellner, 16.8.2016)