Für einkommensschwache Familien ist der Schulanfang eine finanzielle Belastung.

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Bernhard träumt von einem coolen Schulrucksack, so einem, wie ihn sein Freund Nico hat. Aber es ist ihm klar, dass er keinen bekommen wird. Er muss froh sein, wenn seine Mutter die notwendigen Dinge für den Schulanfang kaufen kann. Auf Projektwoche wird er heuer auch nicht mitfahren. Das findet Bernhard "blöd", weil er meint, dass seine Klasse "da viel Spaß" haben wird.

Seine Mutter ist alleinerziehend und arbeitet als Putzfrau. Die Ausgaben, die ihr zum Schulstart abverlangt werden, sind für sie kaum zu stemmen. Die Geschwister müssen sich abwechseln, wer wann auf Projektwoche mitfahren darf. Bernhard war letztes Jahr dabei, in diesem Schuljahr ist sein Bruder dran.

Arme Eltern, schlechte Chancen

Laut Zahlen der Statistik Austria gelten in Österreich 380.000 Kinder und Jugendliche als armuts- oder ausgrenzungsgefährdet, 102.000 Kinder und Jugendliche leben in manifester Armut. Von manifester Armut spricht man, wenn Menschen das Geld fehlt, um sich ordentlich ernähren zu können, ihre Wohnung ausreichend zu heizen oder zum Zahnarzt gehen zu können.

Viele Kinder, die in finanziell prekären Verhältnissen leben, haben auch am Schulanfang schlechtere Startbedingungen. Je früher, je schutzloser und je länger Kinder der Armutssituation ausgesetzt sind, desto stärker die Auswirkungen, sagt Martin Schenk, Sozialexperte der Diakonie Österreich.

Aktion Schulstartpaket

Um sozial benachteiligten Kindern zu notwendigem Schulmaterial zu verhelfen, wurden verschiedene Unterstützungsprogramme lanciert. Bereits zum zweiten Mal führt das Sozialministerium die Aktion Schulstart durch. Im letzten Jahr wurde dadurch 33.000 Schülerinnen und Schülern mit Schultaschen, Rucksäcken und anderen Schulutensilien geholfen. Die Aktion ist an den Bezug der bedarfsorientierten Mindestsicherung geknüpft.

Für all jene, die nicht durch die Mindestsicherung erfasst sind, bieten Diakonie und Caritas Akuthilfe zum Schulbeginn an. Für Kinder armer Eltern hat die Stadtdiakonie Wien ein Spendenkonto eingerichtet, auch Schultaschen und andere gut erhaltene Schulutensilien können vorbeigebracht werden. "Alle Schülerinnen und Schüler sollen gleiche Chancen und Möglichkeiten haben", sagt Jitka Zimmermann von der Stadtdiakonie. Die Diakonie warnt, dass mit einer Kürzung der Mindestsicherung die Lebensbedingungen für diese Kinder noch weiter verschlechtert werden.

Mehr Ressourcen für sozial benachteiligte Schulstandorte

Karikative Gesten allein reichen nicht, es brauche strukturelle Lösungen, sagt Schenk. "Damit Zukunft nicht von der Herkunft abhängt, braucht es Hilfestellungen am Schulstart genauso wie einen Bildungsweg, der nicht sozial selektiert, sondern individuell fördert."

Schenk schlägt ein Modell "ausgleichender Ressourcenzuteilung" für Schulstandorte in einkommensschwächeren Wohngegenden vor: "Wichtig wäre auch, Schulen in sozial benachteiligten Bezirken besonders gut auszustatten, damit sie keine Schüler zurücklassen und für alle Einkommensschichten attraktiv bleiben." Gute Erfahrungen mit der "kompensatorischen Mittelzuteilung" hätte man in den Niederlanden, in Zürich, Hamburg und auch in Kanada gemacht.

Positive Beispiele gäbe es auch aus Skandinavien, wo Schulen mit Eltern Einkaufsgemeinschaften bilden, um günstigere Preise für Schulutensilien zu erhalten. (chrit, 30.8.2016)