Die Junghähne werden nach neun bis zehn Wochen geschlachtet, ehe sie als Bio-Minigockel verkauft werden.

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Es muss stockfinster sein, wenn Regina Schlattl und ihre Helfer versuchen, die unzähligen Gockel einzufangen und zu verladen. Dass das nicht ganz einfach ist, wird schnell klar, steht man in dem riesigen Stall im oberösterreichischen Kremsmünster. Über 9000 testosterongeladene Junghähne tummeln sich auf dem Hof, der von riesigen Wiesen und Feldern umgeben ist. Haben die Gockel die richtige Größe, müssen sie einzeln per Hand gefangen werden.

Regina Schlattl beschäftigt sich bereits seit über 20 Jahren mit dem Aufziehen von Geflügel und weiß, worauf es dabei ankommt. Die Umstellung auf Biogockel erfolgte erst vor wenigen Jahren. "Am Anfang waren wir natürlich skeptisch, ob sich das rechnet. Heute sind wir froh, dass wir es gemacht haben", sagt Schlattl.

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Vom Versuch zum regulären Betrieb

Die Bäuerin trägt, wie 20 andere Betriebe, dazu bei, dass männliche Küken nicht mehr getötet werden und im Supermarkt als Bio-Minigockel angeboten werden können. Das Pilotprojekt, das von ja! Natürlich initiiert wurde, ist seit Anfang September in einen regulären Betrieb übergegangen. Man kann die Gockel somit das ganze Jahr über kaufen.

Damit werden nicht mehr ausschließlich die Legehennen genutzt, sondern eben auch die männlichen Tiere. Die Gockel kommen direkt von der Bebrütung auf den Hof, um dort neun bis zehn Wochen heranzuwachsen. Das Bebrüten der Eier sowie die Schlachtung finden im nahe gelegenen Betrieb von Manfred Söllradl statt. Der Experte freut sich über den Trend des Zweinutzungshuhns. "Das Töten von Tieren hat nie Spaß gemacht. Umso schöner ist es für uns, dass es dieses Projekt jetzt gibt", sagt Söllradl.

Hervorragende Fleischqualität

Während sich die Legehennen nicht zum Verzehr eignen, sei die Fleischqualität der Gockel hervorragend. "Uns war wichtig, dass der Hahn so belassen wird, wie er ist. Es war nie das Ziel, dass er in kurzer Zeit ein gewisses Gewicht erreicht. Das Augenmerk liegt auf dem Geschmack und nicht auf der Größe. Das Tier wächst dreimal so langsam wie ein konventionelles Masthuhn. Das Fleisch schmeckt zart und hat einen festeren Biss".

Vom Projekt und der Fleischqualität überzeugt ist auch der kürzlich als Koch des Jahrzehnts ausgezeichnete Heinz Reitbauer. Im Wiener Restaurant Steirereck hat er den Minigockel hin und wieder auf der Karte. "Das Fleisch des Minigockels hat eine gute Struktur, ist zart und muskulös. Die Brust ist weniger fleischig. Es eignet sich vor allem für Schmorgerichte. Natürlich wird es eine Umstellung für Konsumenten, kennen wir doch vor allem die großen und schweren Hühner", sagt Reitbauer.

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Eine Frage der Größe

Dass die Minigockel bereits nach neun bis zehn Wochen geschlachtet werden, hat mehrere Gründe. "Würde man den Hahn wachsen lassen, bis er zwei Kilogramm erreicht, bräuchte er ungefähr 18 Wochen dafür. Das bedeutet, er würde viel mehr Futter fressen. Weil es sich um keine Fleischrasse handelt, würde außerdem nach einer gewissen Zeit das Wachstum vorwiegend in Knochen und Federn gehen. Ein weiterer Grund ist die Pubertät, in die die Hähne nach rund zwölf Wochen kommen. Da kann es zu Rangkämpfen kommen. Das macht die Haltung schwierig", erklärt Söllradl.

Man hat sich bewusst dafür entschieden, den Minigockel im Ganzen anzubieten. Die ganz nicht so gut gewachsenen Tiere werden zu Wurst verarbeitet. Mit "Toni's Junghahn" hat man bei "Toni's Freilandeier" bereits ein ähnliches Projekt umgesetzt.

"In Frankreich ist man mit Hähnen wesentlich vertrauter. Da weiß man auch über die kulinarische Qualität Bescheid", sagt ja!-Natürlich-Geschäftsführerin Marina Hörmer. "Die Zubereitung des Minigockels benötigt außerdem nicht so viel Zeit. Brät man ihn im Backrohr, ist er in 45 Minuten fertig", ergänzt Qualitätsmanager Andreas Steidl. So wirklich neu ist die Geschichte freilich nicht, hat man doch auch früher bereits männliche Küken aufgezogen, bis man das Geschlecht bestimmen konnte. Danach wurden die sogenannten Stubenküken geschlachtet und die Hennen zum Eierlegen genutzt. (Alex Stranig, RONDO, 21.9.2016)