"Free your Jazz!", fordert Haider als Religionslehrer.

Foto: Jan Frankl

Wien – Trotz Teilchenphysik am Cern ist der Ursprung unseres Daseins bekanntlich noch nicht restlos geklärt. Künstlern, Religionsvertretern und sonstigen G'schichtldruckern sichert dieser letzte dunkle Fleck auf der Landkarte des Wissens immerhin die Existenz.

Als Kabarettist und Religionslehrer im Brotberuf ist Stefan Haider da gleich doppelt bedroht. Kein Wunder also, dass er in seinem neuen Programm recht rasch zur wirklich drängenden Frage kommt: Warum schuf Gott zuerst Himmel und Erde und drehte erst danach das Licht auf? "Freejazz", meint Haider; und so heißt auch sein Programm.

Die musikalische Befreiungsplatte von Ornette Coleman mit dem Titel Free Jazz datiert aus dem Jahr 1960. Damals, meint Haider, habe man skeptischen Hörern diese Musik noch mit dem Ausruf "Des g'heat so!" erklären und sie gar eigenhändig umdrehen müssen. Heute sei der Free Jazz so etwas wie eine Zeitdiagnose: "Alles eine Riesenimprovisation; und noch dazu live."

Sich selbst recht frei am Bass begleitend, erzählt Haider Anekdoten von schwankenden Ordnungssystemen. Vom Ruhigbleiben an der Supermarktkasse, von beliebten, aber textlich suboptimalen Hochzeitsliedern oder vom Papstrücktritt im zünftig-anachronistischen Joseph-Ratzinger-Gedenklatein.

Schön auch, wenn sich Haider an seine Zeit als Bassist in der Kirchenband erinnert. Als 13-Jähriger habe man bei der "Teeparty" der älteren Pfarrjugend zwar noch nicht im Wertesystem der Sieger, an dessen Spitze auch heute noch das "Mognauspumpen" stehe, mitgespielt; am Rockzipfel der um zwei Köpfe größeren Damenschaft habe man aber zumindest erfolgreich auf die Schule vergessen.

In der Bildungsfrage plädiert Haider denn auch für mehr Individualität: "Es gibt kein unnötiges Wissen, und es müssen nicht alle alles wissen", sagt er und schickt die Parole gleich mehrmals hinterher: "Free your Jazz!" Oder wie Ornette Coleman sagte: "Let's play the music and not the background!" (Stefan Weiss, 24.9.2016)