Eine "unglaubliche Erfolgsgeschichte" sei der gemeinnützige Wohnbau in Österreich, sagte Bundeskanzler Christian Kern auf der Gala anlässlich "70 Jahre GBV" am vergangenen Dienstag vor mehreren Hundert Festgästen.

Foto: GBV/Schedl

"Die Wohnbauförderung ist beim derzeitigen niedrigen Zinsniveau nicht mehr so der Hit", sagt Karl Wurm.

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Gemeinnützigen-Obmann Karl Wurm sieht in der Wohnbau-Investitionsbank viele Chancen. Um günstige Wohnungen bauen zu können, brauche es aber mehr.

STANDARD: Kürzlich wurde die Wohnbau-Investitionsbank (WBIB) gegründet. Beim Festakt "70 Jahre Gemeinnützige" haben Sie sich bei Wirtschaftsminister Mitterlehner ausdrücklich dafür bedankt. Was erwarten Sie sich?

Wurm: Viel. Die Wohnbauförderung ist beim derzeitigen niedrigen Zinsniveau nicht mehr so der Hit. Zuletzt kam es zu der interessanten Situation, dass Bauten, die weniger Qualität haben – also nur nach Bauordnung gebaut wurden, aber kompakt, als Würfel – genauso günstig waren wie die mit Wohnbauförderung errichteten. Daher weichen immer mehr Bauträger aus und sagen, sie tun sich die Wohnbauförderung nicht mehr an. Das ist bei den Einfamilienhäusern ganz stark zu sehen, aber auch im mehrgeschoßigen Wohnbau. Wenn nun die WBIB die Gelder der Europäischen Investitionsbank auf 20 oder 30 Jahre zu Fixzinsen vergibt, dann ist das ein Druck in Richtung Wohnbauförderung, effizienter zu werden.

STANDARD: Viele Gemeinnützige haben wohl schon fertige Projekte für die WBIB-Gelder in petto?

Wurm: Wir haben allein bei uns im Unternehmen schon vier Projekte, die wir jederzeit vom Stapel lassen können.

STANDARD: Wie kann die Wohnbauförderung effizienter werden?

Wurm: Wir haben zuletzt ja auch bei der Frage der Wohnversorgung der Flüchtlinge festgestellt, dass es Sonderverordnungen braucht, wenn wir mit öffentlichen Mitteln günstigere Wohnungen errichten wollen. Innerhalb der gegebenen Förderungs- und Rechtsrahmen ist das gar nicht mehr möglich. Das zeigt das aktuelle Dilemma recht gut. Wir brauchen also eine Billigschiene innerhalb der Wohnbauförderung, die sich nur an der Bauordnung orientiert. Es kann und soll daneben auch eine Förderung geben, die qualitativ mehr verlangt. Ich bin sehr dafür, dass man weiterhin mit Wettbewerben austestet, welche Qualität denn eigentlich möglich ist. Und es soll auch durch Wohnbauförderung initiierte High-Level-Qualitätsschienen geben. Aber wenn man das für alle Wohnungen haben will, sind billige Wohnungen unmöglich zu bauen.

STANDARD: Die Regierung will nun die Baulandmobilisierung angehen und überlegt eine höhere Steuer, wenn Bauland zehn Jahre lang nicht bebaut wird. Gute Idee?

Wurm: Ich kenne die Vorschläge, aber das Paket noch nicht. Fakt ist, dass das einer der wichtigsten Punkte für billigen Wohnraum ist. Es gibt sehr viel gewidmetes Bauland, das aber nicht flott wird, weil die, die es haben, warten, bis es noch mehr wert wird. Das ist aus deren Sicht vollkommen verständlich. Bei dem Thema war es auch im sozialpartnerschaftlichen Gespräch zwischen uns und den privaten Bauträgern schwierig, zu einem Konsens zu kommen. Dass öffentliches Interesse Vorrang vor Individualeigentum haben sollte, ist bei uns nicht so stark verankert wie beispielsweise in Bayern. Da muss insgesamt das Denken in Zusammenhängen besser werden, wenn man weiterhin günstigen Wohnraum produzieren will. Der zweite wichtige Punkt sind die Baukosten. Da muss man einen Deckel einziehen, das geht nur mit weniger Normen.

STANDARD: In dieser Causa sind Sie mit den Gewerblichen wieder d'accord. Aber tut sich da was?

Wurm: Im Normeninstitut selber tut sich außer Diskussionsplattformen nichts. In den Ländern ist schon eine Sensibilisierung passiert, weil sie merken, dass alles, was sie zulassen, bei der Förderung zu ihren Lasten geht. Mir würd's schon reichen, wenn ein paar Punkte abgeschwächt würden und in Zukunft die Schnelligkeit von neuen Normen eingebremst wird.

STANDARD: Bei der Energieeffizienz – Stichwort Pariser Klimaziele – geht es aber in die andere Richtung: Da werden die Bauordnungen auf das Niveau der (strengeren) Wohnbauförderung angehoben.

Wurm: Ja, das ist richtig. Wir haben uns jetzt aber genau angeschaut, was unser Bereich dazu beitragen kann. Das ist hochinteressant: Die Gemeinnützigen haben einen Anteil von über 16 Prozent an den Hauptwohnsitzen und knappen zwölf Prozent an der Wohnnutzfläche – aber nur 7,6 Prozent beim Heizenergieverbrauch und 5,2 Prozent bei den vom Wohnsektor verursachten CO2-Emissionen. Wenn man also in der Bauweise bei uns ansetzt, bringt es gar nicht so viel. Es ist kosten- und energieeffizienter, sich die Heizsysteme vorzunehmen. Eine Umstellung von 5000 ölbeheizten Wohneinheiten hat denselben Effekt, wie wenn man 50.000 Niedrigenergiehäuser zu Passivhäusern macht. Nur kostet das acht- bis zehnmal so viel. (3.10.2016)