Die ehemalige ÖH-Vorsitzende Barbara Blaha gilt vielen in der SPÖ als Wunschkandidatin für die Leitung des Renner-Instituts.

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Grafik: Der Standard

Wien – Wer im Schach gewinnen will, braucht beides: einen langfristigen Plan, wie die Partie zu eigenen Gunsten ausgehen kann, die Strategie, und dann kurzfristige Manöver, eine Taktik, um die strategischen Ziele zu erreichen. Wer eine Wahl gewinnen will, sollte ebenfalls mit beiden Konzepten vertraut sein. Gerade in der SPÖ – das bescheinigen der Partei nicht nur zahlreiche Politexperten, das geben selbst viele Funktionäre zu – ist die strategische Arbeit in den vergangenen Jahren allerdings immer mehr ins Hintertreffen geraten.

Keine "tiefere Diskussion"

Seit 1972 haben im Nationalrat vertretene Parteien die Möglichkeit, eine politische Akademie zu gründen, die dann mit Bundesmitteln gefördert wird (siehe Grafik). In diesen Einrichtungen, so das Ziel, soll demokratiestrategische Arbeit stattfinden: Wie wird die Sozialdemokratie zukunftsfit? Das wäre eine Frage, auf die im Karl-Renner-Institut, der Akademie der SPÖ, Antworten gefunden werden sollten. "In der SPÖ überwiegen inzwischen aber taktische Überlegungen, der Blick ist nur auf die nächste Wahl gerichtet. Tiefere politische Diskussionen bleiben weitgehend aus", sagt der Politologe Anton Pelinka.

Der neue rote Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler hat angekündigt, das ändern zu wollen. Ex-Bundeskanzler Werner Faymann hatte sein Augenmerk auf die rote Inseratepolitik gelegt und die SPÖ-Bundesgeschäftsstelle entmachtet. Niedermühlbichler ist nun gerade dabei, die von Faymann eingesparte Organisationsabteilung wieder aufzubauen. Das Renner-Institut soll nach dem Willen von Parteichef Christian Kern zum "Thinktank" werden – also jene Funktion erhalten, die einst sein Initiator Bruno Kreisky im Kopf hatte.

Keine internationalen Konferenzen

Viele in der SPÖ begrüßen deshalb, dass die ehemalige ÖH-Vorsitzende und Parteirebellin Barbara Blaha als Nachfolgerin des kürzlich verstorbenen Institutsdirektors Karl Duffek gehandelt wird. Das würde auch jene Öffnung signalisieren, die Kern der Partei zumuten möchte.

Blaha selbst äußert sich derzeit zwar öffentlich nicht zum Thema, vergangenen Freitag ist allerdings die Bewerbungsfrist für die Stelle abgelaufen – und es sollen einige vertrauliche Bewerbungsschreiben eingelangt sein. Trotz ihrer bestens qualifizierten Konkurrentin Barbara Rosenberg, die das Renner-Institut derzeit schon interimistisch leitet, werden Blaha die besten Chancen nachgesagt.

Welche Aufgaben die rote politische Akademie dann in Zukunft konkret haben soll, ist derzeit allerdings noch unklar. In der Partei selbst wünschen sich viele, dass die Ausarbeitung des neuen Parteiprogramms mehr auch vonseiten des Renner-Instituts koordiniert wird. Aktuell sind mit dieser Aufgabe der 64-jährige Ex-Klubchef Josef Cap und der 83-jährige Karl Blecha, Präsident des Pensionistenverbands, betraut. "Früher wäre eine Programmdebatte Anlass für eine internationale Konferenz gewesen. Heute wird darüber nicht einmal parteiintern ordentlich diskutiert – jedenfalls dringt nichts nach außen", sagt Pelinka.

Keine Querfinanzierung erlaubt

Derzeit wird das Renner-Institut vor allem als Zentrum für Aus- und Weiterbildung eigener Parteimitglieder genutzt. Pelinka stellt klar: "Laut Gesetz müssen die politischen Akademien unabhängig sein und dürfen auf keinen Fall zur Querfinanzierung der Parteien dienen." Für die Kontrolle sei der Rechnungshof zuständig. Eine Funktion als Kaderschmiede und Thinktank sei aber jedenfalls gesetzeskonform.

Der Politikwissenschafter ist allerdings skeptisch, ob in den Parteiakademien jemals Antworten auf jene Fragen gefunden werden können, die der gesellschaftliche Wandel aufwirft: "Wir brauchen wieder mehr tiefes, strategisches und diskursives Denken, ich glaube aber nicht, dass das von den Parteien ausgehen kann", sagt Pelinka. Denn Parteidenken sei gewissermaßen immer kurzfristig. "Vor dreißig, vierzig Jahren wurden in der SPÖ wie auch der ÖVP allerdings sehr wohl noch Ideologiedebatten geführt, die im Grunde Strategiedebatten waren. Das ist fast völlig verlorengegangen." (Katharina Mittelstaedt, 3.10.2016)