Wien – Der Rektor der Medizin-Universität Wien, Markus Müller, warnt angesichts der Forderung des burgenländischen Gesundheitslandesrats Norbert Darabos (SPÖ) nach mehr Studienplätzen beim Medizinstudium sowie der Diskussion um eine neue Medical School in Tirol vor einer "provinziellen Versorgungsdebatte". Mit noch mehr Studienplätzen fördere man nur den "Exportschlager Medizin-Absolventen", sagt Müller.

Darabos hatte am Freitag von Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) gefordert, die Anzahl der Studienplätze in Medizin aufzustocken und auf EU-Ebene eine Verlängerung der Quotenregelung sicherzustellen. Der Landesrat warnte vor einem Ärztemangel, falls man nicht gegensteuere.

Müller gegen neue Uni-Standorte

Müller widerspricht dem burgenländischen Landesrat und hält auch nichts von einer Medical School in Tirol. In der vor einigen Jahren vorgelegten Ärztebedarfsstudie seien zahlreiche Vorschläge gemacht worden, wie man das Problem der Ärzteversorgung in Österreich unter Kontrolle bringen könne. "Kein einziger davon ging aber in Richtung Gründung neuer Medizin-Unis", betonte Müller. "Da wird nur Wasser in einen Kübel mit Loch geschüttet."

Aus Absolventenbefragungen wisse man, dass rund 40 Prozent der fertigen Mediziner Österreich verlassen. "Wir haben kein Produktionsproblem, sondern das Problem, dass das Produkt eine Art Verkaufsschlager geworden ist. Jeder Versuch, die Produktion noch weiter zu erhöhen, wird nur diesen Exportschlager weiter fördern." Im internationalen Vergleich verfüge Österreich etwa über eine doppelt so hohe Pro-Kopf-Absolventenquote wie Schweden.

"Problem verschoben"

Eine weiteren Erhöhung der Zahl der Studienplätze lehnt Müller ab. "Damit würde Steuergeld des Bundes oder eines Landes nicht dazu verwendet, ein Problem zu sanieren, sondern man steckt es ineffizient in eine provinzielle Versorgungsdebatte. Wenn unsere Spitals- und Versorgungslandschaft für die Absolventen so unattraktiv ist, werden wir durch eine erhöhte Produktion nicht weiterkommen."

Mit der derzeitigen Diskussion werde das Problem nur auf einen anderen Bereich verschoben, meinte der Rektor. "Das ist eigentlich kein Thema der Universitäten, der Forschung oder der Ausbildung, sondern ein rein regionales Versorgungsthema und eine Art Stellvertreterkrieg auf dem Rücken der Unis:"

Darabos sei dafür verantwortlich, die Attraktivität der Versorgungslandschaft im Burgenland zu gewährleisten, sagt Müller. Das Engagement des Rektors der Uni Innsbruck, Tilmann Märk, für eine neue Medical School in Tirol kann er "nicht nachvollziehen". Offenbar hätten hier "Länderinteressen Vorrang vor der gesamtösterreichischen Interessenlage".

Derzeit gibt es in Österreich 1.620 Anfänger-Studienplätze in der Medizin – zuletzt wurden diese durch die Einrichtung einer Medizin-Fakultät an der Uni Linz um 120 aufgestockt. Dafür haben sich heuer mehr als 12.000 Personen einem Aufnahmetest gestellt. 75 Prozent der Studienplätze gehen an Kandidaten mit österreichischem Maturazeugnis, 20 Prozent an Bewerber aus der EU und fünf Prozent an Studienwerber aus Drittstaaten. Diese Quote verstößt gegen EU-Recht. Ob die EU von einem Verfahren absieht und ein entsprechendes Moratorium verlängert, entscheidet sich noch in diesem Jahr. (red, APA, 3.10.2016)