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Demonstriert wurde schon viel gegen Ceta – hier im September in Brüssel. Kommende Woche stimmen die EU-Handelsminister über den Freihandelspakt mit Kanada ab.

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Für den Kanzler ist und bleibt Ceta ein schwieriges Unterfangen. Donnerstagfrüh deutete Christian Kern in Ö1 an, ein positiver Spruch des deutschen Höchstgerichts werde auch für ihn eine "wichtige Entscheidungsgrundlage" sein. Im Laufe des Tages gab es von SPÖ-Seite aber noch keine finale Entscheidung, ob man nun für das Freihandelabkommen zwischen der EU und Kanada stimmen wird.

Ab Freitagvormittag tagt das SPÖ-Präsidium, Kern legt dort seine Sicht der Dinge dar. Im Vorfeld wurde intensiv auf höchster Ebene beraten. Telefonate mit den roten Landeschefs standen auf der Agenda, ebenso ein Treffen mit ÖGB-Präsident Erich Foglar, dessen Experten Ceta trotz ergänzender Erklärungen ablehnen.

Kleinere Änderungen

Bei dem erwähnten neunseitigen Papier – es soll die Interpretation des 1.600-seitigen Vertrages erleichtern – wurden zuletzt noch kleinere Präzisierungen vorgenommen. Durch einen Verweis auf das Wiener Vertragsrechtsübereinkommen soll die Rechtsverbindlichkeit der Erklärung betont werden. Inhaltlich kann sie freilich nur bekräftigen, was im Vertrag selbst steht, etwa dass kein Land gezwungen ist, Privatisierungen vorzunehmen.

Für die geplanten Investitionsgerichte, bei denen Konzerne im Fall einer Diskriminierung Schadenersatz einklagen können, sollen Regeln für die Bezahlung der Richter erarbeitet werden (was ebenfalls bereits im Vertrag steht). Viele SPÖler haben aber noch immer grundsätzliche Bedenken gegen solche Sondergerichte – das kam auch bei einer SPÖ-Mitgliederbefragung heraus.

Nachverhandeln?

Einen kompletten Verzicht auf die Investitionsgerichte hält man im Kanzlerumfeld aber für unrealistisch, andere Rote sind der Meinung, dass man diesen Punkt bis zur endgültigen Ratifizierung von Ceta noch nachverhandeln könne.

Bis zum kommenden Dienstag muss sich die Regierung jedenfalls einigen, ob ÖVP-Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner – er ist klar für Ceta – beim EU-Handelsministerrat zustimmen darf.

Die Einwände der anderen

Einwände haben freilich auch noch andere Staaten vorgebracht. Bulgarien und Rumänien haben zwar an sich nichts gegen Ceta, versuchen jedoch, sich ihr Ja in einem handelsfremden Bereich abkaufen zu lassen. Sie fordern, dass eine bestehende Visapflicht für ihre Bürger fällt. Ungarn hat einen formellen Vorbehalt angemeldet: Die Regierung möchte verbrieft haben, dass die Anwendung ab 1. Jänner 2017 nur eine vorläufige ist, kein Präjudiz für die parlamentarische Ratifizierung auf nationaler Ebene darstellt. Sehr ähnlich hat die Regierung der Niederlande argumentiert.

Eigentlich war diese Frage aber schon geklärt. Die EU-Kommission hat schon vor Monaten zugesagt, dass nur jene Teile des Abkommens vorläufig in Kraft treten, die alleinige EU-Kompetenz sind – also etwa Zölle. Andere Bereiche wie die Investitionsgerichte gelten erst, wenn Ceta von allen Staaten ratifiziert wurde.

Die harten Nüsse

Als "härteste Nuss" gilt laut Beobachtern neben Österreich Belgien. In dem innenpolitisch sehr komplizierten und in drei Sprachregionen aufgeteilten Land ist die Debatte über EU-Außenhandel zu einem Machtkampf der Parteien geworden, der vor dem Hintergrund sehr starker regionaler Parlamente ausgetragen wird.

Federführend gegen Ceta sind in der Wallonie die Grünen, Europagegner, vor allem aber die wallonischen Sozialisten.

Machtwechsel

Die Region leidet wirtschaftlich stark unter der Liberalisierung, dem Abbau in der Schwerindustrie. Viele Menschen befürchten durch noch mehr Öffnung den Abstieg. Dabei hatte die SP das Freihandelsprojekt lange unterstützt, als sie mit Elio di Rupo noch den Premierminister der Bundesregierung stellte. Seit zwei Jahren regiert in Brüssel aber eine Koalition des liberalen Premiers Charles Michel, der sich vor allem auf die flämischen Nationalisten im Landesnorden stützt.

Die N-VA ist stärkste Partei des Landes. Michel muss also entscheiden, ob er der vorläufigen Anwendung von Ceta zustimmt, auch wenn das wallonische Parlament bei der Abstimmung am Freitag Nein dazu sagt – und in Monaten beim nationalen Ratifizierungsprozess zu Fall bringt, zumindest was jene Teile des Abkommens betrifft, die in nationale Kompetenz fallen.

Seinen Widerstand aufgegeben hat am Donnerstag Slowenien. Die Regierung gab grünes Licht für Ceta. (Thomas Mayer, Günther Oswald, 13.10.2016)