Seit bereits fünf Jahren bittet Ursula Strauss ihre Kollegen in die Wachau.

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Lügen und Liebe – darum dreht sich alles in "Waisen".

Foto: Magdalena Ableidinger

Wenn es herbstelt und die Tage kühler werden, neigt sich in der Wachau die hektische Touristenzeit ihrem Ende zu. Seit fünf Jahren reisen dann Kunstinteressierte in das entschleunigte Niederösterreich. Schauspielerin Ursula Strauss folgt als künstlerische Leiterin des Festivals "Wachau in Echtzeit" einem Prinzip: Schauspielerkollegen, Texte und Wachauer Orte stehen gleichermaßen im Fokus.

Seitdem Strauss 2014 das Stück ohne Proben und Regisseur selbst auf der Bühne erlebte, ist Weißes Kaninchen, rotes Kaninchen des iranischen Autors Nassim Soleimanpour, der jahrelang seine Heimat nicht verlassen durfte, ein Fixpunkt im Programm. Dieses Jahr stellt sich Maria Köstlinger dem Zweifel an der eignen Wahrnehmung und einem Abend mit unvorhersehbaren Ausgang.

Mit Misstrauen geht es weiter: Auf offener Straße geschieht ein Mord. Sowohl in Alfred Hitchcocks The Lodger (1927), als auch in dem Theaterstück Waisen herrschen Lug und Betrug. Hitchcocks Stummfilmklassiker wird von den Impro-Musikern Divine Musical Bureau neu und mit Live-Musik vertont. Die erste Regiearbeit Waisen von Schauspielerin Birgit Linauer holt drei Jungschauspieler auf die Bühne: Jan C. J. Liefhold, Helmut Frauenlob und Lisa Nemec spielen Theater nach Dennis Kelly.

Groteske Textkörper

Klassische Texte und bisher unbekannte Schriften werden bei "Wachau in Echtzeit" neu performt. Frei nach William Shakespeare inszeniert der Theaterverein chong* unter der Leitung von Schauspielerin Hilde Dalik: In Romeo & Julia – Freestyle verleihen jugendliche Flüchtlinge als Laiendarsteller dem Text ihre persönliche Sichtweise. Ähnlich individuell gestaltet wird Philipp Hochmairs Schiller-Balladen-Experiment. Auch Christian Dolezal nimmt sich eines Autors an und verkörpert Thomas Glavinic in Das bin doch ich.

Aus dem Hemdkragen eines Dummkopfs erzählt Clown und Schauspieler Jevgenij Sitochin. Den meisten unbekannt aber umso relevanter sind die Groteseken des russischen Avantgardeschriftstellers Daniil Charms (1905 – 1942), dessen Texte zeitlebens verboten und der selbst mehrfach inhaftiert wurde. Seine Schriften sollen unter der musikalischen Begleitung Walter Soykas zum Leben erweckt werden.

In einer clownesken Performance gibt Jevgenij Sitochin den humorvollen und tragischen Texten Daniil Charms' Raum.
Foto: Pia Clodi

Um Texte Ingeborg Bachmanns kreist der Abend Ein Leben lang im Nebelland, eigens entwickelt von Schauspielerin Patricia Aulitzky und Gitarrist Dominik Nostitz für "Wachau in Echtzeit". Im Schloss Pielach wird Bachmanns Literatur mit Liedtexten verwoben.

Alles Liebe wünscht Strauss selbst zum Abschluss. Ihr musikalischer Abend mit Bartolomey Bittmann wird am 26. 11. uraufgeführt. (Katharina Stöger, 20.10.2016)