Julia Herr über inhaltliche Übereinstimmungen: "Wenn es mit der ÖVP nicht möglich ist, ist eine Koalition eben ausgeschlossen. So eine Neuauflage von Rot-Schwarz darf es nicht mehr geben."

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STANDARD: Kann eine Koalition mit den Freiheitlichen für die SPÖ prinzipiell eine Option sein?

Herr: Wir wollen bei der Frage nach einer Koalition auch ganz bewusst die ÖVP mithineinnehmen. Wenn man sich anschaut, was Sebastian Kurz so von sich gibt, ist der nicht sehr weit weg von Heinz-Christian Strache. Mit den Inhalten, für die die FPÖ steht, ist für uns ganz klar, dass eine Koalition völlig ausgeschlossen ist. Da geht es gar nicht nur um das Thema Asyl oder Integration, sondern auch um Themen wie die Mindestsicherung.

STANDARD: Das gilt dann auch für die ÖVP?

Herr: Wenn die SPÖ tatsächlich einen Kriterienkatalog für eine Koalition erstellt, muss der für alle Parteien gelten, auch für die ÖVP. Das derzeitige Koalitionsabkommen mit der ÖVP ist aus unserer Sicht zu wenig fortschrittlich. Die SPÖ muss für sich ganz klar definieren, was wir in einer Regierung überhaupt wollen. Dann muss man sich anschauen, mit wem das überhaupt möglich ist. Wenn es mit der ÖVP nicht möglich ist, ist eine Koalition eben ausgeschlossen. So eine Neuauflage von Rot-Schwarz darf es nicht mehr geben.

STANDARD: Wenn die SPÖ den Kriterienkatalog zu streng fasst, bleibt möglicherweise überhaupt kein Koalitionspartner außer den Grünen übrig.

Herr: Der Kriterienkatalog kann nicht auf alle Themen fokussieren. Natürlich ist klar, dass ein Koalitionsabkommen auch Kompromisse beinhalten muss. Aber es braucht bei ein paar Punkten schon eine rote Linie, sonst zahlt sich eine Regierung nicht aus. Wir müssen auch sozialdemokratische Inhalte umsetzen können. Da ist das Bekenntnis zum Sozialstaat eine Grundbedingung.

STANDARD: Der Kriterienkatalog kann also Klarheit schaffen, mit wem die SPÖ regieren soll?

Herr: Der Katalog kann Klarheit schaffen, kann aber auch in eine andere Richtung gehen, wenn das ganz verwässerte Bedingungen sind. Wenn lediglich drinsteht, dass sich die Parteien zu Menschenrechten bekennen müssen, ist das sicher nicht genug. Dann werden wir dem nicht zustimmen. Der Katalog kann der SPÖ aber auch helfen, in Koalitionsgesprächen eine Richtung vorzugeben und die Verhandler in ihren Positionen zu bestärken.

STANDARD: Was müsste man in einem solchen Katalog festlegen?

Herr: Es geht auch um soziale Maßnahmen. Die Kürzung der Mindestsicherung ist kein gangbarer Weg. Die Sozialdemokratie muss klar ein Bekenntnis zum Sozialstaat formulieren und einen Ausbau der Sozialmaßnahmen fordern, keine Einschränkung.

STANDARD: Halten Sie es für möglich, dass sich die FPÖ so weit ändert, dass sie als Koalitionspartner infrage kommt?

Herr: Mit einem Norbert Hofer und einem Heinz-Christian Strache halte ich das nicht für möglich. Nein.

STANDARD: Wie soll denn ein solcher Kriterienkatalog beschlossen werden? Reichen da ausgesuchte Parteigremien?

Herr: Das muss mindestens bei einem Parteitag beschlossen werden. Ein kleineres Parteigremium reicht da sicher nicht aus.

STANDARD: Was macht man mit dem Burgenland, wo es ja schon eine Koalition mit der FPÖ gibt?

Herr: Eine schwierige Frage. Ich glaube, dass sich die SPÖ und ihre Gremien ein bisschen ernster nehmen müssen. Es hat einen klaren Beschluss gegen Rot-Blau gegeben, nicht einmal, sondern mehrmals. Wenn eine Landespartei einen Beschluss bricht, muss man überlegen, welche Konsequenzen es geben kann. Wir haben ein Schiedsgericht gefordert. Das hat es leider nicht gegeben. Wenn wir uns nicht an die eigenen Beschlüsse halten, werden sie an Relevanz verlieren. Wir müssen die selbstauferlegten Regeln ernster nehmen. Nicht nur bei Rot-Blau, da geht es auch um das Statut und die Nichteinhaltung der Frauenquote.

STANDARD: Ist Christian Kern der Richtige, um für mehr parteiinterne Disziplin zu sorgen und die Positionen zu schärfen?

Herr: Ich glaube schon, dass er das könnte, wenn er das wollen würde. Er genießt derzeit sehr viel Ansehen in der Partei. Meiner Meinung nach sollte er zum Thema Parteidemokratie stärker eine Linie vorgeben.

STANDARD: Warum ist die Sozialistische Jugend nicht in die erste Verhandlungsrunde zum Kriterienkatalog eingebunden?

Herr: Wenn man mich gefragt hätte, wäre ich natürlich gerne gekommen. Die Runde ist tatsächlich sehr klein, und deshalb sitzt nur eine Person für die Jugendorganisationen im Gremium, und das bin diesmal nicht ich. (Michael Völker, 7.11.2016)