Bordeaux ist das weltweit größte zusammenhängende Anbaugebiet für Qualitätswein.

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Rund 3.000 Châteaux gibt es. Naturwein erzeugen aber nur einige wenige davon.

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Mit der Cité du Vin, einem Weinerlebnispark, will man die Bedeutung des berühmten Weins unterstreichen.

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Moniqe Bonnet, Valérie Godelu und Thomas Duroux haben ihre Châteaux auf Biodynamik umgestellt und verkaufen nun Bio-Bordeaux.

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Eigentlich war schon alles bereit für die feierliche Eröffnung der funkelnagelneuen Cité du Vin in Bordeaux, die in Anwesenheit von Staatspräsident François Hollande stattfinden sollte. Doch dann prangten plötzlich ein Totenkopf und eine Gasmaske neben dem Schriftzug "Stop Pesticides" auf der futuristischen Fassade des 100 Millionen Euro teuren Prestigebaus. Verantwortlich für die Lichtprojektion war eine Gruppe, die sich Les Amis de la Terre (Freunde der Erde) nennt. "Diese neue Cité du Vin hat eine starke symbolische Kraft, und die sollte keinesfalls dazu missbraucht werden, die Existenz der schädlichen Auswirkungen der Pestizide auf Gesundheit und Umwelt zu leugnen", erklärten die Aktivisten.

Tatsächlich wird der massive Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln in den Weingärten der noblen Châteaux in letzter Zeit immer häufiger angeprangert. Im Fernsehen hat eine vielbeachtete Dokumentation gezeigt, dass das Département Gironde, in dem die meisten Bordeaux-Weingärten liegen, zu jenen drei Verwaltungseinheiten des Landes zählt, wo Mittel, die offiziell als gefährlich eingestuft sind, am häufigsten angewendet werden. Besonders schockiert reagierte die Öffentlichkeit auf Nachforschungen des TV-Teams, durch die Spuren von Chemikalien bis in die Haare von Schulkindern gefunden wurden. Inzwischen hat auch Umweltministerin Ségolène Royal das Problem angesprochen und die Reduktion des Chemikalieneinsatzes verlangt.

Einzelkämpfer

"Dafür wurde es aber auch höchste Zeit", sagt die Weinbäuerin Monique Bonnet, "gerade hier im Bordeaux wächst die Stadt immer weiter in die Weinberge hinein, immer mehr Menschen wohnen, arbeiten oder besuchen Schulen in unmittelbarer Nähe der Reben und sind den Giften hilflos ausgesetzt." Bonnet ist eine der seltenen Winzerinnen der Region, die auf biologische Anbaumethoden setzen. Sie machen gerade einmal sieben Prozent der Erzeuger aus. "Eines der Probleme ist, dass sich bislang die wenigsten der namhaftesten Châteaux des Themas angenommen haben", fährt die Eigentümerin des 65 Hektar großen Château Suau fort, "was daran liegt, dass das Biosiegel im Bordeaux kein Verkaufsargument ist. Vor allem dann nicht, wenn man klingende Namen trägt, die auf der ganzen Welt bekannt sind."

Dass sich in letzter Zeit dennoch einiges bewegt, führt die Winzerin auch auf den Trend hin zu möglichst naturbelassenen Weinen zurück, die immer mehr Konsumenten ansprechen und die Weinkarten der Toprestaurants erobern. Eine Entwicklung, die in Bordeaux im Unterschied zu weniger prestigeträchtigen französischen Weinbauregionen bisher verschlafen wurde. Vor allem trendige Lokale setzen heutzutage auf Köche, die ihre Zutaten – soweit sie sie nicht selbst sammeln oder anbauen – von naturnah arbeitenden Landwirten beziehen. Und auf Sommeliers, die solche Arbeitsmethoden auch von den Winzern erwarten.

Für diese zumeist jungen Leute haben die traditionsreichen und gutbürgerlichen Bordeaux-Weine ihren Reiz längst eingebüßt. Manche Lokale gehen überhaupt so weit, gar keinen Bordeaux mehr in der Weinkarte zu führen – und das sogar mit Stolz zu verkünden. Deswegen ist in der konservativen Weinstadt auch immer wieder von einem als unerträglich empfundenen "Bordeaux-Bashing vonseiten der Pariser Hipster" die Rede.

Imageschaden

"Das Image des Bordeaux hat in den letzten Jahren gelitten", bestätigt Valérie Godelu, eine weitere Biowinzerin, "jüngere und interessierte Weintrinker wenden sich immer häufiger von ihnen ab, weil der Name für Chemikalien und zunehmende Industrialisierung steht, andererseits aber auch für schwindelerregende Preise". Godelu ist eine der wenigen in der Region, die biologischen Wein erzeugen und obendrein auf Hilfsmittel wie Reinzuchthefen oder Schwefel verzichten.

"Wenn wir irgendwo bei Natur-Wein-Festivals auftauchen, sind uns Spott und Häme der Kollegen aus anderen Regionen gewiss", erzählt die Winzerin, "den meisten unter ihnen scheint es unvereinbar, dass man aus dem Bordelais kommt und gleichzeitig Naturwinzer ist." Sie sieht den Grund dafür nicht zuletzt im alteingesessenen System selbst; in Weinschulen, die konventionelle Anbaumethoden hochhalten und Alternativen verschweigen; in Labors, die alles andere als unparteiisch seien und deren Betreiber selbst Pflanzenschutzmittel verkauften. "In der Weinbauschule habe ich all das gelernt, was ich nicht anwenden will. Und zertifizieren lasse ich meine Weine ausschließlich von einem nachgewiesen unabhängigen Labor", sagt Godelu.

Umstellung auf Bio

Doch völlig abschreiben sollte man den Bordeaux freilich nicht. Immerhin ist die Handelsstadt, deren Namen er trägt, auch bekannt´für ihre Flexibilität, wenn es darum geht, neuen Trends zu entsprechen. So passte man sich etwa im Laufe der 1990er-Jahre an den Geschmack des amerikanischen Marktes an. Damals ging es darum, möglichst viele der 100 Punkte zu erobern, die der in seiner Heimat allmächtige amerikanische Weintester Robert Parker zu vergeben hatte. Kurz darauf schmeckten so gut wie alle Weine der Region um einiges dichter, fruchtiger, opulenter.

Eines der ganz wenigen prestigereichen Châteaux, die als Cru Classé eingestuft wurden und zugleich auf alternativen Anbau setzen, ist das Château Palmer in Margaux. Hier hat man die Zeichen der Zeit pünktlich erkannt und im Jahr 2009 mit einer Umstellung auf Biodynamik begonnen, die 2014 abgeschlossen war.

"In Wahrheit ist es völlig unverständlich, dass die großen Weingüter sich diesen Aufwand nicht antun, während viel kleinere, die ihren Wein um ein paar Euro die Flasche verkaufen, es sehr wohl tun", sagt Thomas Duroux, Direktor vom Château Palmer, "ich bin aber sehr zuversichtlich, dass die Veränderung bereits im Gange ist und zahlreiche der namhaften Châteaux uns in den nächsten Jahren folgen werden."

Allzu lange sollten sie damit allerdings nicht warten. Denn dieses Mal geht es doch um einiges mehr als nur darum, dem Geschmack eines amerikanischen Weinkritikers zu entsprechen. (Georges Desrues, RONDO, 20.12. 2016)