Die koreanische Community hat das Bibim am Rennweg schon entdeckt – ohne Reservierung geht hier gar nichts.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Bei den Hauptspeisen führt an Bibimbap kein Weg vorbei.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Das Haus am Rennweg 60 beheimatete seit 1928 die Gaststätte zum Goldenen Ochsen, wo in den frühen 2000er-Jahren noch dem Wienerlied gehuldigt wurde. Irgendwann war damit für immer Schluss. Der Nachfolger, Joschis Leberkashittn, führte den Namen noch im Untertitel, das Angebot von allerhand mutig aromatisierten Fleischziegeln und Schnitzelvariationen (Hawaii! Diavolo!) kam aber trotz Kampfpreisen nicht an. Jetzt aber rennt die Bude plötzlich wie verrückt.

Das ist Juyeon Lee zu verdanken. Die neue Betreiberin kam als Frau eines Samsung-Managers nach Wien, irgendwann überkam sie die Lust, wie in Korea wieder ein Restaurant zu bekochen. Das Bibim (lässt sich als "Mischung" übersetzen) sieht bis auf die neuen Geschäftsschilder innen wie außen unverändert aus, die rustikale Lamperie, die Messingluster, die mit Klinker ausgekleideten Ziermäuerchen – alles noch da. Sogar die Kunstdrucke mit alpinen Szenen hängen noch an der Wand. Nur die Küche ist jetzt hardcore-koreanisch.

Große Teigtaschenkunst

Manches, wie Seolleongtang, in der Speisekarte als "aromatische Suppe aus Ochsenkopf, Ochsenfüßen und Ochseninnereien mit Reis und sechs Beilagen" beschrieben, klingt nach Pflichtbestellung, und sei es als Verbeugung vor dem Genius Loci. Sie erschließt sich dem westeuropäischen Gaumen aber nur bedingt: Der riesige Topf voll milchig weißer Flüssigkeit ist mit allerhand Fleisch in variabel gallertiger Konsistenz angereichert und weist wirklich dichten Rindfleischgeschmack auf, wirkt aber völlig ungewürzt. Deshalb wird von der freundlichen Bedienung beim Servieren wohl auf Salz und Pfeffer auf dem Tisch hingewiesen.

Dazu gibt es Reis, ebenfalls weiß, salzfrei, und ein beachtliches Arrangement an fermentiertem Gemüse. Die schmecken allesamt wunderbar, unglaublich nuanciert zwischen Säure, Schärfe, Salzigkeit und reifer Umami-Power oszillierend – man findet sie aber auch ohne Suppe unter dem Namen Banchan auf der Vorspeisenkarte.

Yaki Gyoza, gebratene Teigtaschen mit einer wundersam seidigen Fülle aus Faschiertem, Tofu, Glasnudeln und Gemüse, kann man hingegen nur lieben, große Teigtaschenkunst. Nokdu-Jeon, knusprige Pfannkuchen mit Kimchi, Frühlingszwiebeln und Mungobohnen im Teig, erinnern entfernt an Erdäpfelpuffer, nur viel aromatischer – und von einer hellen, durchsichtigen Dipsauce begleitet, deren Inhalt ebenso geheimnisvoll wie suchtfördernd ist. Jokbal, mit recht weihnachtlich anmutenden Gewürzen gesottene Schweinsstelze, wird kalt tranchiert aufgetragen, mit einer anderen, nicht minder fantastischen braunen Sauce zum Tunken. Will man auch gekostet haben.

Aal war alle

Bei den Hauptspeisen führt, wenn der gegrillte Aal gerade aus ist und die wundersam süßen, herrlich würzigen Glasnudeln aus Süßkartoffeln mit Rind, Shiitake und Gemüse (Japchae) von der Mitesserin in Beschlag genommen werden, an Bibimbap (siehe Bild) kein Weg vorbei. Das koreanische Nationalgericht aus allerhand fermentiertem Gemüse und Pilzen, Reis, Fleisch und einem Spiegelei wird hier in vier verschiedenen Varianten serviert: klassisch mit Rindsfaschiertem, aber auch mit Bulgogi (mariniertem, kurzgebratenem Rind in dünnen Scheiben), mit würzigem Bauchfleisch, scharfem Huhn oder mit besonders viel Kimchi und Schweinefleisch. Kommt alles wunderhübsch angerichtet auf einer brennheißen Eisenplatte zu Tisch, muss vor dem Genuss aber gründlich durchgerührt werden. Dann erst vermengen sich die Elemente zu einem fantastisch aromatischen Mischmasch, der zwar mehr als arg aussieht – aber auch arg gut schmeckt. (Severin Corti, RONDO, 18.11.2016)