Trifft das Mozarteumorchester Salzburg: Ivor Bolton.

Foto: APN / Kerstin Joensson

Wien – Im Juli 2006 wurde das Theater an der Wien als Opernhaus wiedereröffnet, mit Don Giovanni in einer Inszenierung von Keith Warner. In der Jubiläumssaison wird Warners Neudeutung wieder einmal gezeigt, nach Gerald Finley und Erwin Schrott schlüpft Nathan Gunn in die eleganten Anzüge des Hoteldirektors Don Giovanni. Und Ivor Bolton leitet das Mozarteumorchester Salzburg, das erstmals im Theater an der Wien zu hören sein wird.

Bolton empfängt im Dirigentenzimmer des Theaters, der Fluss seiner Rede ähnelt dem eines Wildbachs bei Starkregen. Die Aufwärmfrage: Wenn er Giovanni dirigiert, gibt es da eine Stelle oder eine Arie, die ihn ganz besonders berührt? Nach einem kurzen Hmmm führt der Brite Donna Annas Non mi dir im 2. Akt an sowie die beiden Finales, deren architektonische Struktur ihn beeindruckte. Hat es ihn da nicht gestört, dass die Inszenierung Warners mit der Höllenfahrt endet und auf das Schlusssextett verzichtet? Nein, hat es nicht.

Bolton ist glücklich, dass die verwendete Wiener Fassung auch das Duett von Leporello und Zerlina beinhaltet, Per queste tue manine, welches neue Facetten der beiden Charaktere deutlich mache. "Und das Sextett ist ja nur der Epilog des Finales", präzisiert der 58-Jährige. "Die Meinungen über die Wiener Fassung sind kontrovers, manchmal sind auch in Wien Teile des Epilogs gespielt worden. Aber das gedruckte Libretto von 1788 hat den Epilog nicht enthalten."

"Ich mag die Balance, die diese Arbeit hat"

Mit Warner hat er sich supergut verstanden: "Wir haben es beide sehr bedauert, dass wir uns jetzt erst getroffen haben! Ich mag die Balance, die diese Arbeit hat. Die Regie fokussiert sich nicht nur auf die tragischen Aspekte, sondern zeigt auch die Verbindungen zum Goldoni-Stil auf, die das Libretto hat." 1958 in Blackrod, Lancashire, geboren, studierte Bolton an der Universität von Cambridge und am Royal College of Music. 1984 gründete der ehemalige Cembalist die St. James's Baroque Players und dirigierte sich von der britischen Originalklangszene in die große weite Welt des Symphonischen. Das Mozarteumorchester Salzburg hat er bis vor kurzem als Chefdirigent geleitet. Worin erkennt er die Qualitäten des Klangkörpers und in welcher Weise hat er ihn in den zwölf Jahren geformt?

Bolton lobt das Engagement der Musiker (auch außerhalb ihrer Dienstzeit!) und deren Intelligenz: "Sie sind interessiert an theoretischen Dingen wie der Werkstruktur, aber auch an Details. Wir haben viel an Phrasierung, Intonation und Vibrato gearbeitet." Zum Glück stehe ihm mit dem Mozarteumorchester mehr Probenzeit zur Verfügung als etwa mit englischen Orchestern. Und er sei auch stolz auf die Gesamtaufnahme der Bruckner-Symphonien. sprudelt es aus Bolton heraus.

"Der Esprit de Corps ist beachtlich"

Am Theater an der Wien hat Bolton 2011 eine Produktion von Monteverdis L'Orfeo dirigiert. Fühlt er sich wohl in diesem Ambiente? Er möge die Schönheit und Größe des Raums, meint Bolton, sie sei perfekt für klassische Opern. "Die Akustik ist vielleicht etwas auf der trockenen Seite, aber das ist bei den kleinen Theatern oft so." Die Akustik, mit der es Bolton zurzeit am häufigsten zu tun hat, ist die des Teatro Real in Madrid; seit 2015 ist der Brite dort Chefdirigent.

"Ensemble, Chor und Orchester haben sich in den letzten fünf Jahren hervorragend entwickelt, wir haben da zwei tolle Konzertmeister und einige ehemalige Mitglieder des Chamber Orchestra of Europe. Der Esprit de Corps ist beachtlich." Was dirigiert er da so? Als Brite mache er natürlich Britten, die Proben für einen neuen Billy Budd begännen gerade. Aber er wolle auch Neues ausprobieren: Im Frühling mache er Händels Rodelinda mit Claus Guth als Regisseur, für 2019 ist ein Idomeneo mit Robert Carsen geplant. Good luck! (Stefan Ender, 12.12.2016)