Grün-Mandatar Peter Pilz hat eine Debatte über die Ausrichtung begonnen.

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Parteichefin Eva Glawischnig will diese schnellstmöglich abdrehen.

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Der Kärntner Grüne Rolf Holub wundert sich nur: ""Ich habe das Gefühl, die Grünen haben die Bundespräsidentenwahl verloren, so wie sie dreinschauen."

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Wien – "No hard feelings", betont Eva Glawischnig gleich mehrmals, sie sei Peter Pilz nicht böse. "Aber die Diskussion ist wirklich unnötig." Die grüne Bundessprecherin ist schwer verärgert, und viele andere in der Partei seien das auch, sagt sie im Gespräch mit dem STANDARD.

Der Konflikt zwischen Pilz, der seit mittlerweile 30 Jahren Abgeordneter der Grünen ist, und Glawischnig, seit 1999 im Parlament und seit neun Jahren Bundessprecherin, ist offen ausgebrochen. Das Gerede von Pilz, dass die Grünen hinaus zu den Stammtischen müssten, sei "extrem ignorant", das sei bei den Grünen doch längst State of the art. Glawischnig: "Wir machen das seit Jahren, wir machen Hausbesuche, Lokaltouren, wir gehen in die Betriebe. Gerade in den Bundesländern laufen die Leute, dazu brauchen wir nicht den Ratschlag eines Abgeordneten."

Linker Populismus

Gerade im Wahlkampf für Alexander Van der Bellen sei eine Kampagne auf die Beine gestellt worden, wie es sie in Österreich noch nicht gegeben habe. So viel kreatives Campaigning habe es noch in keinem Wahlkampf gegeben. Die Vorschläge von Pilz seien dagegen "total retro", das sei der Stil aus den 90er-Jahren.

Glawischnig ist jedenfalls der Kragen geplatzt. Das Eintreten von Pilz für einen "linken Populismus" – einen Begriff, den er seit Monaten allerdings bewusst nicht mehr verwendet – bringt die Grünen-Chefin auf die Palme. In allen Gremien, auch im Erweiterten Bundesvorstand, sei dem Ansinnen von Pilz, die Partei kantiger nach links auszurichten, eine klare Abfuhr erteilt worden. "Da gibt es gültige Beschlüsse", sagt Glawischnig – zuletzt in einer Klubsitzung am Dienstag, einstimmig, mit zwei Enthaltungen. Das müsse nun endlich auch Pilz akzeptieren. "Es gibt niemanden, der sein Konzept möchte oder verteidigt."

Erfolg nicht schlechtreden

Im Übrigen sei Pilz bei den meisten Sitzungen nicht anwesend gewesen. "Er hat gar nicht mitgekriegt, was sich in der Partei abspielt." Pilz komme aus einer Zeit, als die Partei bei vier bis fünf Prozenten lag, jetzt liegen die Grünen bei 13 Prozent, "ich lasse mir unseren Erfolg von Pilz nicht schlechtreden". Glawischnig: "Niemand will bei uns die Umwandlung in eine linkspopulistische Partei", jetzt sei "finito" mit der Debatte, Pilz möge endlich wieder konstruktiv mitarbeiten.

Dass sie ihm vorgeworfen hatte, für den Wahlkampf von Van der Bellen nicht gespendet zu haben, tue ihr übrigens leid: Zweimal habe sie die Abgeordneten aufgefordert zu spenden, Pilz sei dem nicht nachgekommen. Sie habe übersehen, dass er im August dann doch noch gespendet habe.

Der Erfolg von Van der Bellen sei auch für die Grünen eine Riesenchance, sagt Glawischnig. Die Leute seien gut drauf und voll motiviert, "aber diese strategische Debatte bringt uns nichts". Für sie sei jedenfalls klar, dass die Grünen nach diesem Wahlkampf wieder kantiger auftreten müssten, dass man analysieren müsse, was man aus dem Erfolg Van der Bellens lernen könne. Wie man jene Leute ansprechen könne, die über das grüne Potenzial hinaus Van der Bellen gewählt haben, das seien vor allem die Frauen im ländlichen Raum und die ganz Jungen, die im Wahlkampf zu begeistern waren. "Die Freiheitlichen in der Hofburg haben wir verhindert, jetzt geht es um den Ballhausplatz." Die Grünen seien der einzige Garant dafür, die FPÖ zu verhindern, und nur bei den Grünen sei eine Koalition mit den Freiheitlichen ausgeschlossen.

"Depressionen ohne Ende"

Mit einer neuen Strategie seien auch personelle Veränderungen verbunden, Glawischnig will im Jänner den Parteivorstand umformen und verjüngen. Am Freitag sollen die Grünen auch einen neuen Bundesgeschäftsführer bekommen, am Mittwoch war der bisherige Klubdirektor der Grünen im Parlament, Robert Luschnik, der einzige Bewerber für die Funktion. Seine Bestellung gilt als Formsache, doch läuft die Bewerbungsfrist bis Mittwoch, 24 Uhr.

Der Kärntner Rolf Holub versteht irgendwie die grüne Welt nicht mehr: "Ich habe das Gefühl, die Grünen haben die Bundespräsidentenwahl verloren, so wie sie dreinschauen. Ich sehe Depressionen ohne Ende. Schlimm. Wir Grünen sind es offenbar nicht gewohnt zu gewinnen. Mir fehlt die große Emotion", kritisiert der Kärntner Grünen-Landesrat im Gespräch mit dem STANDARD. Er habe "überhaupt" kein Problem damit, dass in der Partei eine Auseinandersetzung zwischen Pilz und Glawischnig ausgebrochen sei. "Ich bin absolut für eine innerparteiliche Diskussion. Alle beiden haben ein bissl recht", sagt Holub.

Es müsse für die Grünen jetzt darum gehen, den Schwung aus dem langen Wahlkampf mitzunehmen und das Potenzial, das sich daraus aufgetan habe, zu nutzen. "Dazu ist es sicher notwendig, direkt den Kontakt zu den Menschen zu suchen. Hinein in die Stammtische und niemanden ausgrenzen", sagt Holub. Die Grünen dürften sich jetzt nicht in der Funktion als möglicher Appendix einer "Kenia-Koalition" gemütlich einrichten. Die Partei solle jetzt ihre Stärken schärfen. Für Holub geht es jetzt darum, "auf Wahlkampfmodus umzustellen, sachlich und problemlösungsorientiert aufzutreten". Der Fokus müsse auf den Themen Umwelt, den wirtschaftlichen Chancen des Klimawandels und im Sozialen liegen. "Stichwort: Das Geld dort holen, wo es ist."

Was Rolf Holub nicht ansprechen will, wird in der Partei aber unterschwellig längst diskutiert: die Frage nach der Führung der Bundespartei. Noch schwelt die Obfraudebatte unter der Oberfläche, kaum jemand in den grünen Politzirkeln mag sich öffentlich äußern. "Aber Tatsache ist", sagt ein führender Grünen-Politiker eines westlichen Bundeslandes, "dass wir diskutieren und es eine Änderung geben wird". Aus den Bundesländern werde entsprechender Druck kommen. "Wir sind hier gut aufgestellt und auch stark und können sehr schnell die entsprechenden Bundesgremien einberufen."

Eva Glawischnig, aber auch Peter Pilz seien "im Auslaufen", wobei Pilz zugutegehalten wird, dass er immerhin eine innerparteiliche Diskussion in Gang gebracht habe. Als künftige Frau an der Bundesparteispitze wird seit einiger Zeit die Tiroler Landeshauptmann-Stellvertreterin Ingrid Felipe ins Spiel gebracht. Sie könnte, heißt es, in absehbarer Zeit Glawischnig ablösen.

Nicht Öl ins Feuer gießen

Nicht jeder will offen reden, vielleicht noch weiter Öl ins Feuer gießen. "So ist der Peter halt", hört man von manchen oder, dass man über die Debatte unglücklich ist. Offen spricht das der Abgeordnete Albert Steinhauser aus: "Diese Debatte bringt nichts. Wähler gewinnt man mit einem guten Angebot und nicht mit der Diskussion darüber."

Für Karl Öllinger, der dem linken Flügel der Partei angehört, ist der offen ausgetragene Richtungsstreit nicht viel mehr als eine "überflüssige Nasenbohrerspielerei". Es gebe genug Beispiele dafür, dass die Grünen, "die Stammtische wie noch nie poliert" hätten, sagt er in Richtung Pilz: "Es gibt immer etwas zu kritisieren, aber dass wir nicht mit den Leuten geredet haben, stimmt nicht." Die Grünen seien gut beraten, sich auf die kommenden Wahlgänge vorzubereiten. Derzeit gebe es höchstens eine "Nachdenkpause." (Peter Mayr, Walter Müller, Michael Völker, 15.12.2016)