Ein interner Vorwurf an Peter Pilz: Er beiße in jedes Mikrofon, das sich ihm anbiete.

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Wien – Der offene Konflikt zwischen Peter Pilz, Urgestein der Grünen, und Parteichefin Eva Glawischnig hat zu Entsetzen und Ratlosigkeit in der Partei geführt. Der Streit kommt zur Unzeit: Soeben haben die Grünen mit der Wahl ihres ehemaligen Parteivorsitzenden Alexander Van der Bellen zum Bundespräsidenten den größten Triumph in ihrer Parteigeschichte eingefahren – auch wenn es eine "unabhängige" Kandidatur war, die letztlich parteiübergreifend von der SPÖ, den Neos und Teilen der ÖVP unterstützt worden war.

Der Aufwind, den sich die Grünen daraus erhofften, droht im Konflikt zwischen jenen, die im Buhlen um die politische Mitte eine Strategie für die künftige Ausrichtung sehen, und jenen, die wieder einen kantigeren Kurs in gesellschaftspolitischen Fragen einfordern und diesen mit einem Linksdrall versehen wollen, zu verpuffen.

Stammtische oder open campaigning

Pilz gehört zu den Linksrückern, er will den Kampf um die Protestwähler auch über die Stammtische führen. Glawischnig argumentiert, dass gerade der Wahlkampf von Van der Bellen gezeigt habe, dass die grünen Funktionäre die oft kritisierte Blase ohnedies längst verlassen und neue Wege in der Wählermobilisierung beschritten hätten. Noch nie seien Grüne so viel in Betrieben, bei Volksfesten und auf der Straße unterwegs gewesen – auch in Lokalen, also an den Stammtischen. Die Forderung von Pilz sei "total retro", "open campaigning" dagegen die neue Strategie.

Als Abgeordneter ist Pilz präsent wie kein anderer aus seinen Reihen. Ob das Sicherheitsthemen sind, Korruption, Migration, Integration oder Kurdenpolitik, er meldet sich medienwirksam zu Wort. Das nervt gelegentlich auch jene Parteifreunde, denen er damit thematisch auf die Füße steigt. Seine Stammtischoffensive führte schließlich zum Eklat: Glawischnig warf ihm vergangene Woche vor, er habe sich für Van der Bellen nicht engagiert und nicht gespendet. Das konnte Pilz mit Erlagschein und Dankesschreiben widerlegen, auch seine Auftritte im Wahlkampf hat er dokumentiert.

Zerwürfnis mit Johannes Voggenhuber

Vielen Grünen drängen sich jetzt Erinnerungen an Johannes Voggenhuber auf, der von der Parteiführung 2009 nicht mehr auf die Liste für die Europawahl gesetzt wurde, was zu heftigen Kontroversen und letztendlich zum Zerwürfnis mit der Partei führte. Unterschwellig schlug hier nicht nur ein Generationenkonflikt, sondern auch der Geschlechterkampf durch. Ein "Silberrücken" war erlegt worden. Ein ähnliches Schicksal könnte Pilz ereilen.

Noch steht kein Termin für die Nationalratswahl fest, folglich gibt es auch noch keine Kandidatenliste bei den Grünen. Parteiintern wird aber spekuliert, dass es Pilz, der seit 30 Jahren Abgeordneter ist und für drei Jahre auch Bundessprecher war, nicht mehr auf einen wählbaren Listenplatz schaffen könnte. Pilz wird im kommenden Jänner 63 Jahre alt, er könnte von seiner Partei unfreiwillig in die Pension geschickt werden.

Schwer kalkulierbare Dynamik

Die Listenerstellung erfolgt bei den Grünen allerdings basisdemokratisch über interne Vorwahlen, das birgt eine schwer kalkulierbare Dynamik in sich. Zumal die Bruchlinie zwischen Glawischnig und Pilz nicht klar quer durch die Partei verläuft: Viele Funktionäre, die sich zuletzt zu Wort gemeldet hatten, können der Argumentation beider Seiten etwas abgewinnen. Klar ist aber auch, dass Pilz polarisiert: Sein Drängen auf eine zugespitzte Argumentationsführung findet viel Unterstützung, andere wollen einen Generationswechsel.

Offen ist aber auch, ob es tatsächlich Glawischnig, seit 1999 im Parlament und seit 2008 Bundessprecherin, sein wird, die die Grünen in die nächste Wahl führen wird, oder ob sie der Tirolerin Ingrid Felipe, die als Nachfolgerin gesetzt scheint, Platz machen wird. Die Jagdsaison auf Silberrücken scheint jedenfalls eröffnet zu sein. (Michael Völker, 19.12.2016)