Digital nachkoloriert wurde dieses Selbstporträt von Bettina Ehrlich-Bauer, von dem es nur eine Schwarz-Weiß-Abbildung gab.

Archiv des Belvedere, Wien, Bruno Reiffenstein

Wien – Interessiert man sich für Künstlerinnen, die um 1900 in Wien wirkten, landet man schnell bei der VBKÖ, der Vereinigung bildender Künstlerinnen Österreichs. Sie wurde 1910 von Tina Blau, Teresa Feodorowna Ries, Ilse Conrat-Twardowski und anderen gegründet und existiert bis heute in einer Dachgeschoßwohnung im ersten Wiener Gemeindebezirk.

Unrühmlicher Teil der Institutionsgeschichte ist die Kollaboration mit dem nationalsozialistischen Regime und die Tatsache, dass man ab 1938 alle jüdischen Künstlerinnen ausschloss. Die Aufarbeitung dieses Kapitels der Geschichte ist heute sehr wichtig, der Gründungsidee entsprechend ist man aber vor allem mit der Förderung zeitgenössischer Künstlerinnen befasst. Das bedeutet, dass man in der VBKÖ zwar Informationen zu den Pionierinnen findet, ihre Werke aber nicht.

"Unerhörte Pupperlwirtschaft"

Umso erfreulicher ist es daher, dass es derzeit im vom VBKÖ-Sitz gar nicht so weit entfernten Jüdischen Museum Wien eine verdienstvolle und sehr sehenswerte Zusammenschau gerade solcher Arbeiten gibt.

Die beiden Kuratorinnen Andrea Winklbauer und Sabine Fellner haben diese leicht provokant Die bessere Hälfte genannt. Schon im Stiegenhaus kann man erahnen, wieso es zu dieser selbstbewussten "Anmaßung" kam. Zitiert werden dort keine Geringeren als die beiden Wiener Architekten Adolf Loos und Oswald Haerdtl, die die Künstlerinnen als "Dilettantische Hofratstöchter" beschimpften und die Wiener Werkstätte aufgrund der dort mitarbeitenden Frauen als "unerhörte Pupperlwirtschaft" bezeichneten.

Expressive Keramik

Dabei hat gerade etwa die Wiener Werkstätte mit Vally Wieselthier eine über die Grenzen hinaus anerkannte Keramikerin hervorgebracht. In der Ausstellung sieht man einige ihrer Skulpturen, die die Vorstellung traditioneller Gebrauchskeramik sehr früh erweiterten. Und zwar nicht nur, weil sie sehr expressiv und zum Teil mehr als einen Meter groß sind, sondern auch, weil Wieselthier Szenen wie einen Praterstrizzi mit Dirne (1928) dargestellt hat.

In den 1920er-Jahren war Wieselthier neben der Malerin Lilly Steiner oder der Grafikerin Bertha Tarnay eine der wenigen, die nach New York, London oder Paris emigrierten – nur wenige Jahre bevor die Nazis die meisten der insgesamt 44 versammelten Künstlerinnen verfolgten, ermordeten oder zur Emigration zwangen. Unter ihnen war auch Friedl Dicker-Brandeis, die als Mitglied der KPÖ 1934 verhaftet wurde. Nach ihrer Freilassung hat sie eines ihrer eindrucksvollsten Bilder gemalt. Es ist weitgehend abstrakt, aber die expressiven Farben und der Titel – Verhör II (1934) – geben dennoch Zeugnis davon, dass die Gestapo sie gefoltert, ihr Gesicht blutig geschlagen hat.

In der Ausstellung zählt sie zu jenen Künstlerinnen, die sich mit internationalen Kunstströmungen befassten und in Wien eine "weibliche Moderne" begründeten. Wie Frieda Salvendy stand sie deutschen Avantgardekünstlern nahe, während Helene Taussig den französischen Fauves und die Malerinnen Louise Motesiczky oder Bettina Ehrlich-Bauer der Neuen Sachlichkeit verbunden waren.

Bevor die Nichte von Adele Bloch-Bauer 1938 ihrem Mann ins Exil nach London folgte, hatte sie zwar sein gesamtes grafisches Werk dorthin verschifft. Ihr eigenes ließ diese "bessere Hälfte" jedoch fast zur Gänze in Wien zurück. Für die Ausstellung wurde nun ein Selbstporträt digital nachkoloriert, von dem es nur noch eine Schwarz-Weiß-Abbildung gab.

Aufwändig recherchiert

Tatsächlich hat man aber auch bei der Beschaffung von Originalen (von Tina Blau bis zu Bronica Koller-Pinell) und der Recherche von Hintergrundwissen keine Mühen gescheut: So erfährt man beispielsweise, dass die frühe Kunstausbildung von Frauen dem Engagement des liberalen jüdischen Bürgertums zu verdanken war. Oder aber, dass man an Bildhauerinnen verhältnismäßig früh – ab 1900 – öffentliche Aufträge vergab.

In einer digitalen Zusammenschau der Werke von Ilse Twardowski-Conrat taucht etwa auch das Grabdenkmal für Johannes Brahms auf. Den krönenden Abschluss des informativen und dichten Rundgangs bildet aber ein Werk, das die Bildhauerin Teresa Feodorowna Ries 1895 geschaffen hat: Hexe bei der Toilette für die Walpurgisnacht titelt die zeitgenössisch anmutende "Frauensperson", die sich schamlos mit bösem Blick gerade die Zehennägel abzwickt. (Christa Benzer, 28.12.2016)