Mit Skalpellen und Injektionsspritzen hantieren Kinder auf Schönheits-OP-Apps. Ein geeignetes Spielzeug für Zehn- bis Zwölfjährige?

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Was haben Fettabsaugen, Nasekorrigieren und Lippenaufspritzen mit Kinderspielen gemeinsam? In den App-Stores von Google, Apple und Amazon werden Spiele für Kinder angeboten, die plastische Chirurgie simulieren. Stufenweise können junge User und Userinnen hier an virtuellen Patienten herumschnipseln: zuerst die Haut straffen, dann die Augenlider liften, Botox spritzen und die Nase richten.

Auf dem Display blicken einem Comicfiguren mit großen Augen entgegen. Vor der Operation wirken sie noch voller Angst und Sorge. Bei einem barbieähnlichen Puppengesicht kullern sogar dicke Tränen aus den Augen, als eine Spritze in die aufgeblasenen pinken Lippen sticht. Die Anwendungssoftware für Mobilgeräte ist gratis und wurde für Kinder entwickelt. Ein geeignetes Spielzeug für Zehn- bis Zwölfjährige?

Plastische Chirurgie ist kein Kinderspiel

Nein, findet die deutsche Psychologin Gudrun Wiborg, Unterstützerin der Kampagne #SurgeryIsNotAGame: "Als Mutter einer fast elfjährigen Tochter beobachte ich die Manipulation dieser Kinder durch die vielzähligen Schönheitsapps", sagt sie. Vor allem junge Frauen würden sich obsessiv mit dem eigenen Aussehen beschäftigen und auf vermeintliche Defizite fokussieren. Aus ihrer therapeutischen Praxis wisse sie, dass Apps wie diese dazu beitragen würden, "eine selbstliebende Beziehung zu dem eigenen Körper zu ruinieren".

Deshalb hat Wiborg die Onlinepetition der Kampagne #SurgeryIsNotAGame unterzeichnet. Der Aufruf richtet sich an die CEOs von Apple, Google und Amazon, namentlich Tim Cook, Sundar Pichai und Jeff Bezos. Sie werden dazu aufgefordert, die Anwendungssoftware für Schönheits-OP-Spiele aus ihren virtuellen Regalen zu nehmen und nicht weiter zu verbreiten.

Negatives Körperbild bei Kindern

"Schönheits-OP-Apps fördern ein negatives Körperbild und sollten nicht an verletzliche und beeinflussbare Kinder vermarktet werden", heißt es dazu auf der Kampagnenseite. Einer aktuellen HBSC-Studie zufolge, die eine der größten Erhebungen zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Europa darstellt, fühlen sich in Österreich 34 Prozent aller elfjährigen Mädchen zu dick, in Deutschland sind es 28 Prozent. Mit 13 Jahren glauben bereits die Hälfte aller Mädchen in Österreich wie Deutschland, dass sie zu viel Gewicht hätten. Und in den USA haben mehr als 80 Prozent der Zehnjährigen Angst, zu dick zu werden, besagt eine Umfrage der Organisation The National Eating Disorder Association.

Die Kampagne gegen die Vermarktung von Schönheits-OP-Apps als Kinderspiele wurde von dem internationalen Netzwerk "Endangered Bodies – Körper in Gefahr" lanciert, einem Zusammenschluss von Initiativen aus Argentinien, Australien, Deutschland, Brasilien, den USA, Großbritannien, Irland und Neuseeland. "Endangered Bodies" tritt gegen eine von einseitigen Schönheitsidealen geprägte "schlankheitsbesessene Kultur" auf: "Wir fordern all diejenigen heraus, die wirtschaftlichen Gewinn aus dem Körperhass anderer – insbesondere Frauen und Mädchen – ziehen", schreiben sie auf ihrer Website. Und: "Wir sind entschlossen, die Bilder des öffentlichen Raumes so zu verändern, dass sie uns alle abbilden und repräsentieren – von Nairobi bis New York, von Schanghai bis Lima, von Delhi bis Bangkok, von London bis Teheran." (chrit, 2.2.2017)