"Die Lernräume der Zukunft werden nicht nur in vier Wänden und Gebäuden liegen", sagt Franz Fidler, der die Studiengänge Digitale Medientechnologien und Smart Engineering an der Fachhochschule St. Pölten leitet. Ein Beispiel: Medizinstudierende könnten mittels Augmented Reality in echte Patienten hineinschauen, gewisse Körperteile als virtuelle Objekte einblenden und ihre Position sehen. "Wie sieht ein Herz aus, und was passiert, wenn ein Herzinfarkt eintritt?"

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Monster springen aus den Wänden, kommen auf einen zugeflogen. Sie setzen sich auf die Bücherregale im Seminarraum der Fachhochschule St. Pölten. Möglich machen das spezielle Brillen, die dem Träger Virtuelles einblenden. Diese Brillen testen an einem Donnerstagvormittag rund 30 HTL-Schüler in einem Workshop. Gezeigt werden ihnen die neuesten Technologien im Bereich Virtual und Augmented Reality. So können die jungen Männer etwa mit einer Gear-VR-Brille auf der Nase den New Yorker Times Square besichtigen oder mit einer Microsoft-Hololens eben gegen Monster kämpfen.

Tools statt Bücher

Solche Tools haben Unterhaltungswert – ließen sich aber auch für die Wissensvermittlung einsetzen, sagt Franz Fidler, der die Studiengänge Digitale Medientechnologien und Smart Engineering an der Fachhochschule leitet. "Die Lernräume der Zukunft werden nicht nur in vier Wänden und Gebäuden liegen", ist Fidler überzeugt. Wie genau VR und AR der Pädagogik nutzen können, damit werden sich rund zehn Studierende im kommenden Wintersemester in einer eigenen Masterklasse – einer Spezialisierung im Rahmen des Studiums – auseinandersetzen.

Fidler gibt einen Vorgeschmack: Mit VR könne man etwa virtuelle Lernumgebungen simulieren. Ein Beispiel ist der Flugsimulator, in dem Piloten trainieren. Ein ähnliches Projekt mit einem Fahrschulsimulator läuft gerade an der FH St. Pölten. "Hier geht es darum, echte Fahrschulausbildungen nachzustellen", sagt Fidler. Studierende sitzen also mit einer Virtual-Reality-Brille vor einem Lenkrad, haben den Eindruck zu fahren, müssen rechtzeitig Gas geben, schalten und bremsen. So könne man "ein realistisches Fahrtraining simulieren ohne die Gefahren, die damit einhergehen". Variante B: ein Modell, bei dem sich auch der Sessel bewegt. "So fährt man dann in St. Pölten umher."

"In Patienten hineinschauen"

Mittels neuer Technologien sei es etwa auch möglich, einen Lehrenden in 3-D direkt ins Klassenzimmer zu projizieren. "Man kann damit auch Experten, die weit weg sind, einladen und das Gefühl erzeugen, sie wären vor Ort", sagt Fidler.

Im Bereich Industrie 4.0 sieht der Experte Einsatzmöglichkeiten für die Weiterbildung. "Hier könnte man eine Virtual- und eine Augmented-Reality-Brille zusammenschließen", sagt Fidler. "Ein Beispiel: Ein Techniker, der im Ausland eingesetzt ist, muss etwas umsetzen, das er noch nicht beherrscht. Der Trainer in Österreich würde dann vor dem Schaltschrank stehen und mit der Augmented-Reality-Brille den Schaltschrank und seine Hände aufnehmen. Der Angestellte im Ausland wieder um hat eine Virtual-Reality-Brille auf und sieht dort genau das, was ihm der Trainer vorzeigt." Medizinstudierende könnten mittels Augmented Reality in echte Patienten hineinschauen, gewisse Körperteile als virtuelle Objekte einblenden und ihre Position sehen. "Wie sieht ein Herz aus, und was passiert, wenn ein Herzinfarkt eintritt?"

Fidler ist überzeugt: "Augmented und Virtual Reality werden an Hochschulen immer relevanter, weil sie auch in Unternehmen immer relevanter werden." Einsatzmöglichkeiten gebe es in vielen Bereichen: Etwa könnten sich mittels AR Feuerwehrmänner den kürzesten Weg aus brennenden Häusern einblenden lassen, Chirurgen könnten von derlei 3-D-Visualisierungen eines Tumors beim Operieren unterstützt werden. In der Baubranche könnte AR Planern und Kunden ermöglichen, ein noch nicht gebautes Gebäude zu besichtigen. "So können sie nicht nur sehen, sondern auch hören, welchen Unterschied es etwa macht, ob man ein Fenster mit einer Einfach- oder einer Zweifachverglasung einbaut."

Der Wohlfühl-Faktor

Im Studium an der FH sollen Studierende lernen, wie solche virtuellen Welten designt werden müssen, damit sie die Nutzer ansprechen. Zunächst gehe es um die visuelle Gestaltung, "also Animation, aber auch Realbild", sagt Fidler. Wichtig sei auch ein entsprechendes Audiodesign. "Was höre ich, wenn ich dort unterwegs bin." Auch die Interaktion in den "Parallel"-Welten lernen die Studierenden schließlich zu konzipieren. "Hier geht es um die User-Experience, den Wohlfühlfaktor: Wie realistisch darf es sein?", sagt Fidler. "Erst mal fühlen sich die Benutzer wohler, je realistischer es wird. Wenn sie aber merken: Es wirkt echt, aber es ist nicht echt, beginnen sie sich unwohl zu fühlen." Werden etwa Menschen, die vor einem Gebäude spazieren, zu naturgetreu dargestellt, flöße das dem Träger einer VR-Brille Angst ein. Ziel für Studierende sei es letztlich, ein Projekt – von der Idee bis zum Prototypen – umzusetzen. (15.2.2017)