Ein Grüner besetzt den Heldenplatz: Peter Pilz trinkt bei der Angelobung von Alexander Van der Bellen einen Schnaps auf diesen, flankiert von Generalstabschef Othmar Commenda und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner.

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Pilz sitzt auf einem riesigen Aktenberg an Unterlagen, in das Thema Eurofighter ist er eingearbeitet wie kein zweiter Abgeordneter.

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Lustvoll schmiedet Pilz Achsen über Parteigrenzen hinweg, es sei für das Parlament überlebensnotwendig, dass in Sachfragen zusammengearbeitet werde, sagt er.

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Der Grüne sitzt mit einer Unterbrechung im Wiener Landtag, wo er Klubobmann war, seit 1986 im Parlament – und wenn es nach ihm geht, dann wird er noch eine ganze Weile länger dort sitzen..

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Pilz wirft sich mit Spritzpistole in Pose. Manche Journalisten tun ihn als "Drama-Queen" ab, doch geschickt schafft er es immer wieder, in den Zeitungen seine Recherchen prominent zu platzieren.

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Wien – Peter Pilz ist sehr zufrieden mit sich und der Welt – und der Aufmerksamkeit, die diese Welt – die kleine Welt in Österreich – derzeit für ihn bereithält. Die Debatte über die Eurofighter beschert dem Grünen den mindestens vierten, fünften Frühling in seiner politischen Karriere. Jetzt brauche es einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der muss verhandelt werden, mit der SPÖ, der ÖVP und den Freiheitlichen. Pilz wird das schaffen, davon ist er überzeugt. Auch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache werde er noch so weit bringen, mit Kanzler Christian Kern und Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil, beide SPÖ, sei er ohnedies in bestem Einvernehmen. Und die Grünen, die hat er im Griff, weil seine Agenda im Augenblick ganz obenauf steht.

Genauso wichtig wie die Causa Eurofighter ist Pilz der Kampf gegen das Spitzelwesen der türkischen Behörden, da legt er sich genussvoll mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan an. Seit einigen Wochen wirft Pilz mit ständig neuen Details dem türkisch-islamischen Verein Atib vor, hierzulande Gegner von Erdogan zu "bespitzeln". Wenn bei seiner Pressekonferenz die Polizei in Mannschaftsstärke vor dem Büro der Grünen Stellung bezieht, dann bestärkt ihn das in seiner Wichtigkeit, da liegt er auch thematisch ganz richtig. Der Boulevard ist groß eingestiegen, die Kronen Zeitung ist ihm wohlgesonnen, und selbst Michael Jeannée biedert sich an, wer hätte das gedacht.

Große Genugtuung

Für Pilz ist das eine große Genugtuung. Auch wenn bei den Grünen niemand etwas von seinem "linken Populismus" wissen will, hat er ihnen doch gezeigt, wie das geht, da redet man auch am Stammtisch drüber. Die Boulevardmedien ziehen mit, und Strache, so ist Pilz überzeugt, schaut ziemlich alt aus. "Jetzt habe ich ihn dort, wo ich ihn immer haben wollte", sagt Pilz. Ob Eurofighter oder der Schutz der Austro-Türken vor Erdogan, da sei kein Platz mehr für freiheitliche Politik. Pilz sieht sich als Querverbinder zur SPÖ und decke auch die rechte Flanke ab, indem er Klartext spricht.

Freund-Feind-Schema

Wohl bei keinem anderen Spitzenpolitiker im Land kann das Freund-Feind-Schema so schnell wechseln wie bei Pilz. Vor nicht allzu langer Zeit geißelte der Grüne noch den "groben populistischen Unfug" des roten Verteidigungsministers im Zuge der Flüchtlingskrise, heute lobt er Doskozil bei jeder Gelegenheit für dessen Aufklärungswillen in der Causa Eurofighter.

Doskozil, selbst politisch äußerst umtriebig, beschreibt sein Verhältnis zum jahrzehntelangen Gottseibeiuns des Bundesheeres so: "Pilz ist ein Hansdampf in allen Gassen. Manchmal übertreibt er es, manchmal trifft er aber genau ins Schwarze." Nach wie vor, betont Doskozil, sei er mit dem Grünen "sicherheitspolitisch in vielen Fragen nicht einer Meinung". Aber im Kampf gegen Korruption sei Pilz "ein aufrichtiger Mitstreiter – und ich hoffe, dass noch viele andere, auch aus anderen Fraktionen, dazustoßen".

Pilz gibt dieses Kompliment gern zurück, er schätze an Doskozil dessen persönliche Integrität und die politische Grundhaltung, er sei ein verlässlicher Partner im Kampf gegen Korruption.

Achsen schmieden

Lustvoll schmiedet Pilz Achsen über Parteigrenzen hinweg, es sei für das Parlament überlebensnotwendig, dass in Sachfragen zusammengearbeitet werde, wenn es sein muss, auch mit der FPÖ. Das Parlament sei nur deshalb so schwach, weil die Vertreter der Regierungsparteien alles bejubeln und die Oppositionsvertreter alles verteufeln würden – er wolle diese Zäune durchbrechen, sagt Pilz.

Er selbst sitzt auf riesigen Aktenbergen, Unmengen von Dossiers und langwierigen E-Mail-Korrespondenzen – und zwar nicht nur zu den Vorgängen rund um die ungeliebten Abfangjäger. Seit den späten 1980er-Jahren gab Pilz in einer Reihe von U-Ausschüssen den obersten Enthüller der Nation – zuerst in den Affären Lucona und Noricum. Im neuen Jahrtausend leitete er als Vorsitzender die erste Eurofighter-Untersuchung, danach entsandten ihn die Grünen in die drei Aufklärungsgremien zu den Innenministeriums-, Spionage- und Korruptionsaffären.

Brisantes Material

Zwar erwiesen sich nicht alle Missstände, die der Grüne im Lauf der Zeit anprangerte, bei näherer Inspektion als Skandal, doch sein Ruf sorgt dafür, dass sich Informanten über Parteigrenzen hinweg bei ihm mit brisantem Material melden. Nicht selten fragen sich Beamte im Innen- wie im Verteidigungsministerium, woher "der Pilz schon wieder diese Unterlagen hat", wie man zugibt.

Bei Pressekonferenzen spitzt der Grüne die vorhandene Sachlage mit Witz und Spott bis aufs Äußerste zu – und doziert zwischendurch gern über die Gespräche mit seinen "Freunden im Generalstab", oder wahlweise auch "beim Verfassungsschutz".

Hang zur Übertreibung

Nicht nur in den oft kritisierten Staatsapparaten, auch bei den Medien sieht man Pilz und seinen Hang zu Übertreibungen gespalten. Manche Journalisten tun ihn als "Drama-Queen" ab, doch geschickt schafft es der Grüne immer wieder, in den Zeitungen seine Recherchen prominent zu platzieren. Ein Kenner des umstrittenen Abgeordneten meint nicht zuletzt wegen der kompromisslosen Haltung seiner Partei in der Flüchtlingskrise: "So paradox es klingt: Wollen die Grünen eine Zukunft haben, müssen sie weiterhin stark auf Pilz setzen. Denn ohne ihn wird es für sie finster."

Wein für die Soldaten

Mittlerweile beschreitet der ehemalige Wehrdienstverweigerer und Zivildiener, lange Jahre für die Abschaffung des Militärs, ungewöhnliche Wege. Vor Weihnachten hob Pilz mit Doskozil in einer Hercules im Kosovo ab – undenkbar für den Grünen vor zwanzig Jahren. Dort machte er sich für die Truppe nützlich. Doskozil: "Gefallen hat mir, dass Pilz burgenländischen Wein persönlich an die Soldaten verteilt hat – er ist von Tisch zu Tisch gegangen."

Nachwuchstalent

Pilz sitzt mit einer Unterbrechung im Wiener Landtag seit 1986 im Parlament. Dass irgendwer bei den Grünen infrage gestellt hatte, ob Pilz wieder für den Nationalrat kandidieren und ob er denn die interne Vorwahl überstehen würde, das hat ihn gekränkt. "Wenn Eva Glawischnig meint, jetzt müsse der Nachwuchs zum Zug kommen, dann bin ich dabei", sagt Pilz, der sich selbst kokett als "Nachwuchstalent" bezeichnet. Also wolle er auch bei den kommenden Wahlen, dann mit 64 Jahren, wieder antreten. Politiker zu sein, sei ein schwieriger Beruf. Pilz: "Seit ein paar Jahren habe ich das Gefühl, jetzt kann ich es." Und er droht: "Ich bin noch voller Tatendrang." (Michael Völker, Nina Weißensteiner, 28.2.2017)