Käthchen (Nancy Mensah-Offei) stalkt den Grafen (R. Nicholas).

Foto: Anna Stöcher

Wien – Heinrich von Kleists romantisches Rittermärchen Das Käthchen von Heilbronn (1810) verbucht eines der labilsten Happyends des Genres. Einer undeutlichen Liebesvorsehung nacheilend wird Käthchen, das Kuckuckskind des Waffenschmieds, ihren per Engelsmacht weichgeklopften Angebeteten Friedrich Wetter Graf vom Strahl doch in die Arme schließen. Den Plot hüllen vernünftige Regisseure gern in düstere Nebelschwaden.

Gernot Plass, Prinzipal und versierter Klassikumdeuter am Theater in der Gumpendorfer Straße, hat im Kleist'schen Fall zudem kräftig fantasiert und unter Zuhilfenahme einer Rahmenhandlung das Spiel in Richtung Traumwahn gedreht. Der Graf, kurz Fritz genannt, ist hier ein kaum je zu Bewusstsein kommender Patient einer psychiatrischen Anstalt. Was er auf den verschlungenen Pfaden seines Liebes(un)glücks mitmacht – es sind Produkte seiner Gehirnströme.

Gedeihen auf vagem Terrain

Dieses Gedankenrefugium hat Ausstatterin Alexandra Burgstaller mit einem psychedelischen Gazevorhang eingefasst (Malerei: Arno Popotnig), aus dem immer wieder Gestalten treten, die man im Käthchen nicht vermuten würde: kafkaeske Männer mit hyperaktiver Stummfilmmimik sowie gestresste Mafiahandlanger, die rund um das aussichtslose Liebespaar Geschäfte treiben. Käthchen selbst (Nancy Mensah-Offei) wirft sich textgetreu dem Grafen zu Füßen. Dieser wird so zur eigentlichen Titelfigur.

Plass gelingt es, seinem unnötig mit modernen Vokabeln bestückten Text (Taxi statt Pferdekutsche usw.) eine diffuse, surreale Atmosphäre zu erschließen, z. B. sitzen die Richter seltsam aufgetürmt im Raum. Das Beste daran: die akustisch wie visuell wahrnehmbaren Hohlräume, in denen Plass die Liebesfantasien einschließt. Sie gedeihen auf vagem Terrain, auf dem die blaue Blume der Romantik längst ausgestorben ist.

Plassens sinnstiftende Bemühungen wirken aber übersteuert – auch wegen eines allzu gepressten Spiels mit spitzen, gellenden Stimmen. (Ein) Käthchen.traum – so der grafologisch zugerichtete Titel – verliert dadurch an Kraft. Je aufgekratzter das Spiel, umso mehr brechen dessen Ideen ein. (Margarete Affenzeller, 3.3.2017)