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Überfüllte Hörsäle wie sie an öffentlichen Unis Alltag sind, gibt es an Privatunis nicht.

Foto: AP/Franka Bruns

Wien – Europäische Privatuniversitäten erleben momentan einen Aufschwung. Mit Wachstumsraten von über zehn Prozent in den vergangenen Jahren steigen die Studierendenzahlen stetig an. Matthias Rohrer vom Jugendkulturinstitut in Wien sieht die Zahlen als Bestätigung für den "prinzipiellen Wandel im Bildungssystem", der sich zurzeit vollzieht: Zugangsbeschränkungen, Massenandrang und vor allem das verschulte Bologna-System würden eine gewisse Konkurrenz erzeugen, die den Privatuniversitäten in die Hände spiele. Private Hochschulen würden dadurch attraktiver wirken, da sie kleinere und persönlichere Gruppen anbieten können und so ein besseres Betreuungsverhältnis, sagt Rohrer.

Am Beispiel der Psychologie sieht man zwei alternative Ausbildungen, die mit demselben Abschluss enden und doch unterschiedlicher nicht sein könnten.

Soziale Unterschiede

So steht ein angehender Psychologe vor der Wahl: öffentliches Studium an der Uni mit dem Hindernis des Aufnahmetests und einer eher unpersönlichen Betreuung oder ein privates Studium in Kleingruppen um 6300 Euro pro Semester. Blickt man auf die soziale Durchmischung der Universitäten, erstaunt, dass in der vom Institut für Höhere Studien (IHS)durchgeführten Studierendensozialerhebung keine bedeutenden Unterschiede in puncto soziale Herkunft zwischen Studierenden an privaten und öffentlichen Hochschulen festzustellen sind.

Trotzdem liegt das durchschnittliche Budget eines Privat-Uni-Studierenden rund 300 Euro über jenem eines Studierenden an einer öffentlichen Uni. Martin Unger vom IHS erklärt diese Diskrepanz durch das Alter. Privat-Unis würden oft als zweiter Bildungsweg eingeschlagen, wodurch ein höheres Startkapital gegeben sei. Das unter Studierenden gängige Stereotyp des Privat-Uni-Studierenden als "reicher Schnösel" entspricht allerdings nicht der Wirklichkeit, sagt Unger. Private Hochschulen seien zu divers, um einen klassischen Studierenden zu definieren.

Lisa-Marie, Psychologiestudentin an der Sigmund-Freud-Privatuniversität (SFU), die ihren Nachnamen nicht nennen will, erzählt, dass sich unter ihren Studienkollegen sowohl "Punks wie auch Louis-Vuitton-Taschen-Trägerinnen" finden. Erwerbstätigkeit neben dem Studium sei unter ihren Kollegen gang und gäbe. Oft würden die Eltern bei der Aufbringung der Studiengebühren unterstützen, für den Lebensunterhalt müssten viele aber selbst aufkommen.

Auch die Sozialerhebung zeigt, dass der Unterschied bei der Erwerbstätigkeit zwischen Studierenden an öffentlichen und privaten Unis nicht groß ist: Die Erwerbsquote der Privat-Uni-Studierenden liegt bei 57 Prozent, an öffentlichen Universitäten mit knapp zwei Drittel etwas darüber.

Die Zeit, die Studierende pro Woche für Erwerbstätigkeit und Studium aufbringen, ist allerdings an Privatuniversitäten im Schnitt um 5,4 Stunden höher. Unger sieht das in den anfallenden Studiengebühren begründet: Die Zahlungen würden die Studierenden stärker binden. Ein zusätzliches Semester kostet nicht nur Zeit, sondern auch viel Geld.

Eine Stärke des privaten Psychologiestudiums sei die berufspraktische Ausbildung, sagt Gerhard Benetka, Leiter des Departments Psychologie der SFU. Das Ziel sei, den Absolventen bessere Jobchancen zu eröffnen als den Abgängern von staatlichen Unis – allerdings gebe es keine Daten, ob das tatsächlich gelingt.

Praxisnähe ohne Stipendien

Warum sich Studierende für eine Privatuniversität entscheiden, sieht Benetka oftmals dadurch bedingt, dass sie der Massenuniversität entgehen wollen. Auch komme manchen Studierenden das eher schulische System einer Privat-Uni entgegen.

Manchmal können die Studiengebühren durch Stipendien ausgeglichen werden. Ein Beispiel hierfür ist der Dr.-Michael-Häupl-Förderungsfonds: Je nach Notendurchschnitt werden bis zu 100 Prozent der Studiengebühren übernommen. Die Zusage dafür kann allerdings erst nach der verbindlichen Zusage der Privatuniversität und damit dem Eingehen einer Zahlungsverpflichtung erfolgen. Die hohen Studiengebühren erzeugen zwar "eine gewisse soziale Selektion", so der Departmentleiter. Allerdings, versucht Benetka zu relativieren, würden die Daten zeigen, dass auch staatliche Unis sozial selektiv sind. (Philipp Koch, 11.3.2017)