Viele Ganztagsschulen ermöglichen Kindern eine verschränkte Nachmittagsbetreuung, die Lernen mit der Möglichkeit verbindet, sich auszutoben.

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Ein frauenpolitisches Argument für Ganztagsschulen lautet, dass sie Müttern ermöglichen, berufstätig zu sein, von Teilzeit auf Vollzeit aufzustocken und ihnen zu beruflichem Wiedereinstieg und mehr Unabhängigkeit verhelfen. Das scheint aber nur teilweise einzutreten, wie eine Studie der Wirtschaftswissenschafterin und Universitätsprofessorin Marie Paul von der Universität Duisburg-Essen und ihres Kollegen Fabian Dehos vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) nahelegt.

So beeinflussen zusätzliche Ganztagsschulplätze weder, wie viele Stunden Mütter mit Grundschulkindern erwerbstätig sind, noch wie viele Mütter überhaupt einer bezahlten Beschäftigung nachgehen. Zwar seien heute in Deutschland mehr Frauen berufstätig als vor der Einführung der Ganztagsschulen im Jahr 2003. Aber: "Wir zeigen in unserer Studie, dass das nicht auf den Ausbau von Ganztagsgrundschulen zurückgeht", so Studienleiterin Paul. "Wer seine Kinder nachmittags in der Schule versorgt weiß, sucht sich nicht deswegen einen Job oder stockt seine Stunden auf."

Kindergärten wichtiger

Viele Frauen seien offenbar nicht zwingend auf Ganztagsschulen angewiesen, obwohl sie arbeiten. Sie würden Paul zufolge die Betreuung auch anders organisieren können. Die Frage der Kinderbetreuung scheint, sobald die Kinder im Schulalter sind, also nicht mehr die entscheidende Hürde für Frauen zu sein. Das lasse darauf schließen, dass viele Familien zu diesem Zeitpunkt bereits eine andere tragfähige Betreuung für ihre Kinder organisiert haben. Was die Erwerbstätigkeit von Frauen nachweislich fördert, ist ein gutes Angebot an Kindergärten mit langen Öffnungszeiten. Auch das zeigt die aktuelle Studie.

Trotzdem positive Effekte

Als Kritik an den Ganztagsschulen wollen die Forscher ihre Studie aber nicht verstanden wissen. So habe diese Form der schulischen Nachmittagsbetreuung für Familien sehr wohl positive Effekte gezeigt. So gaben Eltern, die Ganztagsbetreuung in Anspruch nehmen können, in der Studie an, ihren Arbeitsalltag parallel zum Schultag gestalten zu können. Mütter und Väter müssten nicht mehr zeitversetzt arbeiten und bei der Betreuung weniger improvisieren. Das mache die Vereinbarkeit von Beruf und Familie weniger stressig und habe positive Effekte auf das Familienleben. (lima, 27.4.2017)