Die Einigung abzustreiten, sei "schlichtweg falsch", sagt Georg Niedermühlbichler.

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Außenminister Sebastian Kurz wolle sich nur als "Retter der Republik" inszenieren, kritisiert die SPÖ.

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Die Frage, wie die SPÖ mit der Koalitionsoption FPÖ umgeht, diskutiert Kanzler Christian Kern nächste Woche im Parteivorstand mit den Genossen.

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Wien – Nach den vorerst geplatzten Verhandlungen über die Schulreform kritisiert die SPÖ den neuen ÖVP-Chef Sebastian Kurz scharf. Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler wirft ihm, wie zuvor schon die Grünen, vor, sich aus parteitaktischen Gründen nicht an eine bereits erzielte Einigung zu halten. Der SPÖ-Politiker äußert sich erstmals auch zu den Auseinandersetzungen von Mitarbeitern des Kanzleramts und der Parteizentrale.

STANDARD: Wirtschaftsminister Harald Mahrer (ÖVP) schlägt jetzt einen Bildungsgipfel vor, um doch noch eine Einigung bei der Schulreform zu erzielen. Macht das noch Sinn aus Ihrer Sicht?

Niedermühlbichler: Wir brauchen keine Inszenierung, Bildungsministerin Sonja Hammerschmid wird weiter mit der ÖVP verhandeln. Das begrüße ich sehr, denn es ist mehr als verwunderlich, dass Sebastian Kurz jetzt auf den Stoppknopf drückt, blockiert und mit irgendwelchen komischen Argumenten diese Bildungsreform abdreht. Es gibt eigentlich schon eine Einigung, das abzustreiten ist schlichtweg falsch. Sebastian Kurz sollte aufhören parteipolitische Spielchen zu spielen und die Zukunft unserer Kinder zu verspielen.

STANDARD: Kurz sagt jetzt aber, er kann dem doch nicht zustimmen, und er könnte eher mit der FPÖ-Forderung nach eigenen Ausländerklassen mit als bei der Modellregion für die Gesamtschule. Sind solche Ausländerklassen für die SPÖ denkbar?

Niedermühlbichler: Also ganz ehrlich, das ist Papierln, sonst nichts. Es hat zwei Jahre intensive Gespräche mit allen Playern gegeben, dann hat es eine Einigung gegeben, und dann richtet uns der Herr Kurz aus der Ukraine via "ZiB 2" aus, das sei nicht ausreichend. Wo ist da die neue ÖVP? Da war der Vorgänger von Kurz, Reinhold Mitterlehner, schon um einiges weiter.

STANDARD: Die ÖVP zielt offenbar darauf ab, die Schulreform gemeinsam mit der Studienplatzfinanzierung zu beschließen. Was spricht da dagegen, die SPÖ hat doch auch dem Unipaket im Regierungspakt zugestimmt.

Niedermühlbichler: Das ist der nächste Punkt. Es kommt ein Junktim nach dem anderen. Das ist die Uralt-ÖVP, wo man immer, um ein Ergebnis zu verhindern, etwas Neues aufs Spielfeld bringt. Es ist klar, dass die Studienplatzfinanzierung eine ordentliche Begutachtung braucht, das kann man nicht mit der Schulreform junktimieren. Früher hatte man oft das Gefühl, dass die Lehrergewerkschaft den Beton anrührt, mittlerweile ist Sebastian Kurz persönlich zum Betonmischer geworden. Das gilt auch für andere Reformen wie die Gesundheitsreform. Es geht ihm nicht darum, wie er das angekündigt hat, etwas zu verändern, sondern sein Motto ist: 20 Jahre zurück. Es geht ihm nur um seine eigenen Interessen.

STANDARD: Zeigen die aktuellen Diskussionen nicht, dass es wirklich sinnlos ist, diese Koalition fortzusetzen?

Niedermühlbichler: Der Punkt ist: Mit Reinhold Mitterlehner und den Vernünftigen in der ÖVP haben wir viel weitergebracht. Es werden aber immer die schon vereinbarten Punkte von Kurz und seinen Handlangern in der Regierung blockiert. Es geht darum, Christian Kern keinen Erfolg zu vergönnen, damit Kurz als Retter der Republik auftreten kann. Das erinnert mich an die Geschichte: Zuerst wird die Burg sturmreif geschossen, und dann stellt man sich hin und sagt: Ich bin der, der die Burg wieder aufbaut.

STANDARD: Was bedeutet das aktuelle Chaos für die anderen Themen, die noch zwischen SPÖ und ÖVP offen sind? Gilt noch immer: Zuerst will man Beschlüsse mit der ÖVP anstreben, oder wird man jetzt die Verhandlungen in anderen Bereichen abbrechen?

Niedermühlbichler: Wenn es um die Interessen der Österreicher geht, ertragen wir sehr viel Schmerz. Daher werden wir weiter versuchen, etwas umzusetzen. Die ÖVP geht aber offenbar den Weg des totalen Blockierens.

STANDARD: SPÖ-intern haben zuletzt Rempeleien zwischen Mitarbeitern der Parteizentrale und des Kanzleramts für Schlagzeilen gesorgt. Was sagt das über den Zustand der SPÖ, und werden hier Konsequenzen gezogen?

Niedermühlbichler: Das ist eine Geschichte, die medial hochgespielt wurde. Natürlich gibt es, wie überall, Diskussionen und unterschiedliche Auffassungen. In dem konkreten Fall waren sie nicht einmal wahnsinnig groß, ein Mitarbeiter fühlte sich zu wenig informiert. Da ist aber alles wieder im Lot, die zwei haben sich ausgesprochen, darüber brauchen wir nicht mehr zu reden. Wir sind, was die Wahlauseinandersetzung betrifft, gut aufgestellt. Wir werden mit einem starken inhaltlichen Programm in diese Wahl gehen.

STANDARD: Sie und Ihre Leute trauen sich noch rüber ins Kanzleramt?

Niedermühlbichler: Wir haben einen täglichen Austausch, und es kommen auch nach wie vor Leute vom Kanzleramt in die Parteizentrale. Alles, was da geschrieben wurde, stimmt in der Form nicht.

STANDARD: Im Hintergrund geht es offenbar noch immer um unterschiedliche Auffassungen bei der Frage einer etwaigen Koalition mit der FPÖ. Braucht man da nicht schnellstens klare Entscheidungen?

Niedermühlbichler: Das ist relativ einfach darzustellen. Wir haben am nächsten Mittwoch unseren Parteivorstand und werden diese Fragen diskutieren. Außer Frage steht: Es geht um die Inhalte, die wir umsetzen wollen, und nicht um etwaige Koalitionen oder Posten. Wir gehen also in die Wahlauseinandersetzung mit unseren Themen Bildung, Gesundheit, 1.500 Euro Mindestlohn, Pflege und vieles mehr. Nach der Wahl werden wir dann schauen, mit wem wir unsere Inhalte umsetzen können. Am Mittwoch werden wir auch diskutieren, ob wir ein Regierungsabkommen, gleichgültig mit wem, den Mitgliedern zur Abstimmung vorlegen. Diesen Fahrplan wird dann der Kanzler und Parteichef kommunizieren. (Günther Oswald, 8.6.2017)