Als der französische Maler Édouart Manet sein Gemälde "Le Déjeuner sur l'herbe" (Frühstück im Grünen) 1863 dem Pariser Salon zur Ausstellung anbot, wurde es abgelehnt. Ein Bild, auf dem eine nackte Frau und zwei bekleidete Männer beim Picknick zu sehen sind, hielten die Juroren damals für unangemessen. Heute würde sich wohl niemand mehr an dem Bild, das mittlerweile im Pariser Musée d'Orsay hängt, stören.

Auch andere Künstler wie James Tissot und Claude Monet fanden Gefallen am Picknick und malten ihre eigene Version – ohne nackte Frauen. Wie vielfältig das Essen im Freien sein kann, zeigt aktuell eine Ausstellung im Frankfurter Museum für angewandte Kunst. Neben Objekten und Picknickutensilien sind dort auch Fotos von Barbara Klemm zu sehen, die über Jahre Menschen beim gemeinsamen Essen in der Natur fotografierte.

Barbara Klemm fotografierte über Jahre Menschen beim Picknick, wie hier in Frankreich 1974.
Foto: Barbara Klemm

Stilvoll picknicken

Während das Picknick hierzulande nicht selten auf bunt gemusterten Decken mit Wurstsemmel und warmem Dosenbier zelebriert wird, weiß man dem gemeinsamen Essen im Freien in anderen Ländern mehr Respekt zu zollen. In Großbritannien werden mit Vorliebe bei Sportveranstaltungen die Cabrios aus der Garage geholt und die Picknickkörbe mit allerhand Köstlichkeiten befüllt. Nicht fehlen darf dabei das berühmte Cucumber-Sandwich und natürlich reichlich Champagner. Bei der Royal-Ascot-Rennwoche, dem wichtigsten Pferderennen von Ascot, legt man besonders großen Wert auf Etikette. Warme Mahlzeiten, Campinggrill oder harter Alkohol werden nicht geduldet. Tafelsilber, Champagnergläser und Kandelaber sind hingegen gern gesehene Utensilien.

Die sportlichen Pferde und die Queen, die täglich im sechsspännigen, offenen Landauer vorfährt, scheinen hier nur Nebendarsteller zu sein. Im Mittelpunkt steht das gemeinsame Picknick. Und das hat eine lange Tradition. Im viktorianischen Zeitalter wurde es in England populär, weil Königin Victoria oft im Freien gegessen hatte. Woher der Begriff Picknick kommt, darüber streitet man sich gerne. Sowohl die Briten als auch die Franzosen beanspruchen die Herkunft des Wortes für sich.

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Picknicken in Ascot.
Foto: Reuters/Melville

Zelebriert wird das Essen im Freien aber überall auf der Welt. Ob zum Kirschblütenfest in Japan, bei dem sich tausende Menschen auf Decken in Parks niederlassen oder an heißen Tagen auf der Wiener Donauinsel, wo Familien zusammenkommen, um mit qualmenden Holzkohlegrillern und mitgebrachten Salaten dem Sommer Tribut zu zollen.

Vor allem Familien mit kleinen Wohnungen in der Stadt eröffnet das Picknick ungeahnte Möglichkeiten. Große Feste und Gelage können problemlos im Freien abgehalten werden. Der Gastgeber wird von seinen sonst erwarteten Pflichten entbunden, bringt doch meist jeder etwas zum gemeinsamen Picknick mit. Es gibt kaum eine achtsamere Art, sein Essen zu sich zu nehmen. Das zeigen auch stilvolle Utensilien, die einst wie heute zur Grundausrüstung des passionierten Picknickfans gehören und gerne hergezeigt werden. Geflochtene Körbe mit geordnetem Besteck, Kühlmanschetten für Weinflaschen und karierte Tischdecken mit korrekter Bügelfalte zeugen von der ritualisierten und uniformen Nahrungsaufnahme unter freiem Himmel.

Barbara Klemm fotografierte Menschen beim Picknick im Ortsteil Hausen vor der Höhe im deutschen Hessen.
Foto: Barbara Klemm

Gemeinschaftsakt

So elitär das alles zu scheinen mag, Picknicks sind ein Zeichen von Freiheit, und sie sind gemeinschaftsstiftend. Im Film "No!", in dem es um eine Kampagne gegen den chilenischen Diktator Augusto Pinochet im Jahr 1988 geht, zeigt ein Werbefilmer Zukunftsszenarien, um zu zeigen, wie die Zeit nach Pinochet aussehen könnte. Eine Szene zeigt ein ausgelassenes Picknick. In Deutschland wurde zu einem Picknick gegen die NPD aufgerufen.

Und in Wien wurde in den vergangenen Jahren der gesamte Ring einmal im Jahr zur Picknickzone mit Rollrasen und Liegestühlen erklärt, um auf den steigenden Verkehr in der Stadt aufmerksam zu machen. Diese Art des Sitzstreiks ist stets friedlich. Vielleicht wäre der Streik rund um den G20-Gipfel in Hamburg auch anders verlaufen, hätten Menschen anstatt schwarzer Masken und Steinen Picknickdecken und Getränke im Rucksack gehabt.

Aber auch weniger politische Menschen leben ihre Freiheit beim Picknick aus. Es gibt keine Normen, keine Tischsitten, und gegessen werden darf, was schmeckt und transportabel ist. Rezepte für das perfekte Picknick gibt es zur Genüge. Zum Beispiel saftiges Bodega-Sandwich mit Speck, Eiern und Käse, wie es US-Spitzenkoch Anthony Bourdain in seinem großartigen Kochbuch "Appetites" beschreibt. Oder Richard Rauchs pikante Spinat-Pinienkern-Muffins aus dem Buch "Die Jahreszeitenkochschule – Sommer". Ob man dieses Essen bei einem gedeckten Tisch im Gras, auf einer Bank im Wald oder unbekleidet – wie in Manets Gemälde – auf einer Decke zu sich nimmt, bleibt jedem selbst überlassen. Die Jahreszeit zum Picknicken könnte nicht besser sein. (Alex Stranig, RONDO, 11.8.2017)


Valentin Gruber-Kalteis und Anna Haumer
Foto: Joesp

Bulgursalat

Wenn Anna Haumer und Valentin Gruber-Kalteis nicht in der Küche des Restaurants Blue Mustard stehen, picknicken sie gerne. Ihr Lieblingsrezept ist ein Salat mit Bulgur, Roter Rübe und Quinoa. Dafür werden 100 g Bulgur mit 25 g Quinoa zehn Minuten in Salzwasser gekocht. Danach schneidet man 2 gekochte und geschälte Rote Rüben in Würfel und gibt sie mit 3 Stück geschnittenem Stangensellerie zum Getreide. Dazu kommen eine Handvoll Granatapfelkerne und ein gewürfelter Granny-Smith-Apfel. Der Salat wird mit 4 EL Weißweinessig und 6 EL Olivenöl mariniert und mit Salz und Pfeffer abgeschmeckt.

www.bluemustard.at

Daniel Hoffmeister
Foto: Christof Wagern

Ziegenkäsebrot

Küchenchef (Restaurant Lingenhel) Daniel Hoffmeister verwendet für sein Picknick Ziegenkäse von Johannes Lingenhels Käserei in Wien-Landstraße. Für vier Portionen püriert er eine Avocado mit dem Saft einer Zitrone und etwas Meersalz. 20 Cherrytomaten werden leicht eingeschnitten, zehn Minuten blanchiert und geschält. Danach werden sie mit Olivenöl und einer Knoblauchzehe in der Pfanne erwärmt. Vier Scheiben Brot werden knusprig gebraten und mit etwas Knoblauch eingestrichen. Die Avocadocreme kommt mit den Tomaten, 350 g Ziegenkäse und etwas Thymian auf das Brot.

www.lingenhel.com

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