Als die Grenze zur damaligen Tschechoslowakei noch tot war, wollten Republik und Land Niederösterreich das ohnehin wirtschaftlich schwache Gebiet im Norden des Landes fördern.

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St. Pölten – Die Gesellschaft habe ihre Zeit überlebt – das sagte Josef Moser, der damalige Präsident des Rechnungshofs (RH), 2015 im Parlament. Er sprach über die niederösterreichische Grenzlandförderungsgesellschaft (NÖG). Sie wurde 1975 gegründet, um die Wirtschaft in niederösterreichischen Orten an der zu der Zeit "toten Grenze" zur damaligen Tschechoslowakei zu stärken.

Der Rechnungshof forderte die Auflösung der Gesellschaft – 40 Jahre nach Gründung der NÖG, nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, dem Beitritt Österreichs und Tschechiens zur Europäischen Union und der Unterzeichnung des Schengen-Abkommens. Nun dürfte das tatsächlich passieren: Sowohl das Infrastrukturministerium (BMVIT) als auch das Land Niederösterreich bestätigten dem STANDARD, dass man an einer Auflösung der Gesellschaft arbeite, die im gemeinsamen Eigentum von Bund und Land steht.

Komplizierte Auflösung

Das scheint angesichts der föderalen Organisation der GmbH ein kompliziertes Unterfangen zu sein – vor allem unterschiedliche Interessenlagen des roten Ministeriums und der schwarzen Landesregierung haben schon in der Vergangenheit zu Problemen geführt und wohl dazu beigetragen, dass die Auflösung der Gesellschaft so lange auf sich warten ließ.

Aus dem Büro der zuständigen niederösterreichischen Landesrätin Petra Bohuslav (ÖVP) heißt es, es liefen noch "konkrete Gespräche, wie die Auflösung der Gesellschaft operativ umgesetzt werden kann und die Mittel der NÖG effizient für das Grenzland eingesetzt werden können. Dazu sind noch letzte rechtliche, steuerliche und organisatorische Abklärungen mit dem Infrastrukturministerium zu treffen" – eine fast wortgleiche Stellungnahme schickte das Ministerium.

Streit ums Geld

Die sprachliche Einigkeit zwischen Land und Ministerium verstärkt den Eindruck, dass es mit dem Ende der NÖG nun ernst wird. Als DER STANDARD im Sommer 2016 über Kritik an der Gesellschaft berichtete, klang das noch anders: Damals lagen die Eigentümer noch im Clinch darüber, was mit dem gemeinsam gestifteten Kapital – immerhin 14,5 Millionen Euro zu gleichen Teilen von Bund und Land – passieren soll.

Niederösterreich wollte das Geld vom Bund behalten und weiter für Förderungen einsetzen, das Ministerium sträubte sich dagegen, seine mehr als sieben Millionen Euro dem Land zu "schenken". Mit dem gemeinsamen Bekenntnis dazu, "die Mittel sinnvoll und effizient in Niederösterreich einzusetzen", dürfte nun ein Kompromiss erzielt worden sein.

Mannigfaltige Kritik

Der Konflikt prolongierte jene Zustände, die nicht erst der RH kritisierte, sondern schon 2008 in einer Studie des Österreichischen Instituts für Raumplanung beanstandet wurden: etwa, dass das Fördergebiet "keinen nachvollziehbaren Abgrenzungen" folge. Der RH vermisste bei der NÖG außerdem ein "qualifiziertes System zur Beurteilung ihrer Förderungswirkungen" und stellte infrage, ob günstige Darlehen als primäre Fördermaßnahme angesichts niedriger Zinsniveaus ein geeignetes Mittel seien.

Dem Vernehmen nach könnte insbesondere die notwendige Änderung von Gesetzen dazu führen, dass sich das Dahinscheiden der Gesellschaft bis ins nächste Jahr zieht. Bei der NÖG selbst dürfte man sich seelisch schon auf das nahende Ende vorbereiten: Verteidigte man die Gesellschaft im vergangenen Jahr noch wortreich, erreicht den STANDARD 2017 nur ein knapper Verweis "auf die Stellungnahme unserer Eigentümer" – also Bund und Land Niederösterreich, die sich zur Auflösung der NÖG bekennen. (Sebastian Fellner, 21.8.2017)