Viel Kupfer, noch mehr schwarzer Marmor, drei Küchen und zwei Cocktailbars auf zwei Etagen: Das Aï ist gelandet.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Die Speisen sind allesamt für Sharing, gemeinsames Verkosten durch alle Tischgäste, konzipiert.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Man muss dem neuen Designerasiaten, der vergangene Woche mit viel Saudi-Geld im Rücken hinter der Kirche am Hof eröffnet wurde, viel Glück und zahllose zahlungskräftige Kunden wünschen. Das Goldene Quartier, Wiens ebenso exklusives wie menschenleeres Edelmarkenghetto bei der Tuchlauben, würde einen Frequenzbringer dringend brauchen können.

Der Geschäftsgang der ersten Woche verspricht Gutes. Das massiv luxuriöse Restaurant scheint trotz zwei Geschoßen, 200 Sitzplätzen, drei Küchen (neben der eigentlichen noch ein Robata-Holzkohlengrill und ein Sushi-Counter), zwei Cocktailbars und einer gläsernen Brücke, die ins Nichts führt, gut gefüllt wie ein brummender Bienenstock. Die Menge des herumirrenden Personals ist dementsprechend: Allein in der Küche sollen 30 Leute beschäftigt sein, mit Sören Herzig ist auch der frühere Küchenchef des Ex-Dreisterners Juan Amador mit von der Partie.

Panasiatischer Stilmix

Das Konzept orientiert sich deutlich an dem, was die fulminant erfolgreiche Edelasiatenkette Zuma seit mehr als 15 Jahren zwischen London und Dubai vormacht: Panasiatischer Stilmix, auf breitenwirksamen Yummy-Effekt getunte Salsas mit viel Yuzu, Trüffelöl, Räuchersalz und Sojasauce in Kombination mit mehr oder minder bösen Bling-Bling-Zutaten wie Gänseleber und Wagyu-Beef, Kaviar, Hummer oder Blauflossentunfisch – die saturierten Gaumen der ausgebenden Klasse wollen eben an der richtigen Stelle gekitzelt werden. Wie im Zuma sollen die Besucher auch im Aï möglichst viele verschiedene Gerichte aus der extrem umfangreichen Speisekarte kosten, weshalb sie allesamt für Sharing, gemeinsames Verkosten durch alle Tischgäste, konzipiert sind.

Noch tanzt das Ballett der Kellner und Servierkräfte aber recht unkoordiniert. Da kann es schon passieren, dass einem Dreiertisch, der zwölf Speisen bestellt hat, nicht weniger als neun davon gleichzeitig serviert werden. Zuschauen, wie ihr Essen kalt wird, ist aber gerade für jene, die gern den Dicken machen, kein lohnender Zeitvertreib.

Überall Rauch!

Noch dazu, wo manches gut schmeckt. Kabeljau-Loins, mit einer Paste aus fermentierten Chilis und Yuzu mariniert, werden am Robata wunderbar saftig angebrannt, sodass sich das Fleisch in wächsernen Blättern löst. Getauchte Jakobsmuscheln, mit Speck umwickelt und ebenfalls gegrillt, bekommen solcherart aber gar viel Rauch ab – ein bissl Yuzu-Salsa (was sonst) macht's nur fast wieder gut. Dass um 21 Euro gleich vier Stück davon aufgetragen werden, wirkt großzügig. Vor allem im Vergleich zu anderen Optionen auf der Karte: Knusprige Calamari mit Curry etwa, ein kleines Schälchen um 15 Euro, sind derart hemmungslos niederfrittiert, dass man sie glatt für (sehr salzige) Chips halten könnte. Wagyu-Steak um 79 Euro ist auf so aggressive Art rauchgeschwängert, dass Aschenbecherassoziationen aufsteigen. Yakitori-Hendlspieße treffen die Kombination aus süßer Marinade und rauchigem Grillton beinahe ideal, leider ist das Fleisch aber innen noch sehr rosa.

Sushi gibt es auch, da schlagen zwei Stück Nigiri schon einmal mit 17 Euro und mehr zu Buche, so man sich nicht an gemästete Teichfische wie Saibling oder Lachsforelle halten möchte. Die Kombination aus Blauflossentunfisch und geflämmter Gänseleber ist böse, vermittelt aber prachtvoll speckigen Schmelz. Maki mit BBQ-Aal, Ei und Avocado machen ebenso Freude – das Aï-Signature-Maki aber, aus frittierter Reisrolle mit einem Hauch Kaviar und, Achtung bitte, Blattgold, scheint im Mund immer mehr zu werden. Nur der Kaviar wird durch die lauten Fritteusen-Aromen vollständig überdeckt. (Severin Corti, RONDO, 6.10.2017)

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