Die rote Nelke ist die Blume der Sozialdemokratie.
Foto: Regine Hendrich

Penzing: "Schieder im Kinderwagerl"

Es gibt Wurst, Käse und Soletti, die in einem Batzen Liptauer-Aufstrich stecken. Daneben stehen Sprite, Bier und Wein. An der Decke hängen Faschingsgirlanden. Ungefähr dreißig Leute haben sich am Montag im Lokal des Pensionistenverbands versammelt. Viele kommen direkt von der Arbeit. Sie sitzen an zwei langen Tischen, die parallel zueinander aufgestellt sind. Alle schauen ans Ende beider Reihen.

Dort sitzt Martin Bach, der gleich mit seinem Bericht loslegen wird. Er ist Leiter der Sektion 17 der SPÖ Penzing und wird seinen Genossen den anstehenden Landesparteitag erklären. Dort wird entschieden, ob Andreas Schieder oder Michael Ludwig die Partei und aller Wahrscheinlichkeit nach auch die Stadt in den nächsten Jahren führen wird. "Endlich", meint Bach.

Zweimal im Monat trifft sich ein Teil der 200 Sektionsmitglieder und plant Aktivitäten im Grätzel. Der Renner ist der Kasperl. Was es sonst noch gibt: Frühschoppen, Sturmfest, Gemeindebaufest. 38 Prozent hat die SPÖ in Schieders Heimatbezirk bei der Gemeinderatswahl 2015 erreicht, das waren um gut vier Prozent weniger als 2010. Die FPÖ konnte 30 Prozent der Wählerstimmen auf sich versammeln und hat über fünf Prozent dazugewonnen.

Der zweite Kandidat

"Den ersten Kandidaten muss ich euch nicht vorstellen", beginnt Bach seine Ansprache. "Manche von euch haben ihn mit dem Kinderwagerl geschoben." Manch ältere Genossen lächeln und nicken. Schieder ist in Penzing Bezirksparteivorsitzender, obwohl er schon lange Zeit nicht mehr dort, sondern in der Leopoldstadt wohnt. Sein Vorgänger war sein Vater, Peter Schieder. Bach betont, der Kontrahent Ludwig sei der zweite Kandidat und nicht der Gegner. "Egal wie die Entscheidung ausfällt, wir stehen geschlossen hinter dem neuen Chef."

Hinter wem man steht, bis die Entscheidung gefallen ist, ist dennoch klar: Man hofft auf den ersten Wiener Bürgermeister aus Penzing. Bereits im Herbst hat man den Beschluss gefasst, "den Andi" zu unterstützen. Bloß ein Zehntel der anwesenden Sektionsmitglieder gehört am Landesparteitag zu den Delegierten und darf abstimmen. Ein paar andere werden als Gäste kommen.

Unterschiede im Charakter

Bach beantwortet Fragen wie jene, woher man erfahren könne, wie die Abstimmung ausgegangen sei, oder wie und wo der neue Bürgermeister gewählt werde. Der Großteil der Anwesenden ist vom Partei-Establishment gleich weit entfernt wie von einer Eigentumswohnung in Penzings Nobelgegenden. Die stellvertretende Sektionsvorsitzende ist die Hausmeisterin in jenem Wohnhaus, in dessen Untergeschoß die Treffen stattfinden. Neuigkeiten erfahren viele aus den Medien. Oder von Bach, der die Informationen weiterträgt.

Die Differenzen, die medial zwischen Schieder und Ludwig ausgemacht werden, kann man hier nicht unbedingt nachvollziehen. Es ginge vielmehr darum, wer von seiner Art her einen besseren Bürgermeister abgeben würde, ist man sich einig. Auch den Konflikt zwischen Flächen- und Innenstadtbezirken kann man nicht auf einen inhaltlichen Punkt bringen. Die Unterschiede seien gar nicht so groß wie behauptet, vielmehr gehe es darum, dass sich gewisse Bezirke lange Zeit nicht adäquat in der Stadtregierung repräsentiert gefühlt hätten – und es deshalb irgendwann zu einer Lagerbildung gekommen sei. Martin Bach ist froh, wenn das Spektakel vorüber ist: "Es geht immerhin um 2020."

Floridsdorf: "Ludwig wird das gut machen"

"Ich werde eine Kerze anzünden, wenn der Tag endlich vorbei ist", sagt Ronald Schrems. Er ist Leiter der Sektion 10 der SPÖ Floridsdorf und eröffnet die erste Sitzung des heurigen Jahres. Erstes Thema: Landesparteitag. Gut zehn Leute haben sich hier am Montag versammelt. Es ist Ludwigs Heimat. In der Strebersdorfer Sektion 10 bekennt man sich zum Bezirksparteivorsitzenden: "Der Michael wird das gut machen." Dass Ludwig das Rennen machen wird, daran zweifelt hier niemand. Fünf Delegierte darf die Sektion, die 300 Mitglieder zählt, entsenden.

Das Einzugsgebiet von Schrems' Sektion begrenzt sich im Wesentlichen auf einen großen Gemeindebau, die Treffen finden in einem Erdgeschoßlokal im Hochhaus Strebersdorf statt. Bis Mitte der 90er-Jahre hat man dort eine Kantine betrieben und Essen ausgegeben. In Floridsdorf ist das Match mit der FPÖ bereits auf einem kritischen Level: Bei der letzten Gemeinderatswahl holten die Freiheitlichen mit über 40 Prozent bereits um einen Prozentpunkt mehr als die Sozialdemokraten. Auf Bezirksebene konnte man sich gerade noch vor dem Simmeringer Schicksal retten und den Bezirksvorsteher sichern, aber der Vorsprung betrug nur einen Prozentpunkt.

2020 als Showdown

Erst seit kurzem lebt die Sektion 10 wieder auf, man konnte wieder junge Mitglieder für sich gewinnen, die sich auch aktiv einbringen wollen. Umso ehrgeiziger das Wahlziel für 2020: Alle acht Strebersdorfer Sprengel sollen sich rot färben. Bei der letzten Wahl waren sechs von ihnen bereits blau.

Den wesentliche Unterschied zu den Freiheitlichen machen die Strebersdorfer Sozialdemokraten in der Sozialpolitik fest, aber auch im Umgang mit Flüchtlingen: Die, die bereits hier sind, "gehören anständig behandelt", sagt Schrems. Sollten aber beispielsweise Türken eine doppelte Staatsbürgerschaft führen, dann soll es heißen: "Ab nach Hause." Die im Raum stehende Kürzung der Familienbeihilfe für EU-Ausländer bezeichnet eine Genossin Schrems' jedoch als "Umverteilung von oben nach unten". Gerade denen, die wenig haben, etwas nehmen zu wollen, sei "letztklassig".

Floridsdorf ist der mitgliederstärkste Bezirk der Wiener Landespartei. Auch Harry Kopietz, Wiener Landtagspräsident und Erfinder des Donauinselfests, hat in Strebersdorf seine ersten Gehversuche unternommen. Er ist einer der wenigen aus Floridsdorf, die offiziell Andreas Schieder unterstützen. In Strebersdorf glaubt man jedoch, dass Schieder besser in der Bundespolitik und Ludwig besser im Bürgermeisteramt aufgehoben wäre. Dass sich die beiden inhaltlich, auch in der Ausländerfrage, in großem Stil unterscheiden würden, hält man für konstruiert. Tatsächlich haben sich beide Bewerber bereits für einen schärferen Kurs bei der Mindestsicherung ausgesprochen: Zuziehende sollen erst nach einer bestimmten Zeit Anspruch auf die Sozialleistung haben.

"Jahrhundertbürgermeister"

Obwohl Häupl für keine Seite offiziell Partei ergreift, gilt es als offenes Geheimnis, dass Schieder ihm näher steht. In Floridsdorf bezeichnet man Häupl trotzdem als "Jahrhundertbürgermeister". Sowohl Bach als auch Schrems sitzt die kommende Wahl bereits im Nacken. Sie wollen endlich ein Zugpferd. Und den Blauen etwas entgegensetzen. "Wir haben keinen Tag zu verlieren", sagt Schrems. "Zumindest wenn die Geschichte des Roten Wien weitergeschrieben werden soll." (Vanessa Gaigg, 23.1.2018)